Blutung nicht nur durch ASS

Anamnese

Eine 76-jährige Patientin mit Colitis ulcerosa klagt bei Aufnahme über Teerstuhl, Belastungsdyspnoe,
Übelkeit und Appetitlosigkeit.

Aktuelle orale Medikation

Diverse Antihypertensiva, Lipidsenker, ASS, Eisenpräparat, Omeprazol
Azathioprin 100 mg (1-0-0) 
Immunsuppressivum (Purinantagonist) bei Colitis ulcerosa
Allopurinol 300 mg (0-0-1)
Urikostatikum

Befunde

  • Labor: Panzytopenie mit transfusionspflichtiger Anämie (Hb 5,3 g/dl), Thrombozyten 23.000/μl, Leukozyten 2300/μl.
  • Gastroskopie: Forrest IIc-Blutung aus einem Ulkus im Antrum.
  • Koloskopie: Proktitis und Colitis ulcerosa in Remission.
  • Knochenmark-Punktion: Befund in erster Linie mit einer (medikamentös-)toxischen Knochenmarksschädigung bzw. einer aplastischen Anämie vereinbar.

Diagnosen

Myelosuppression mit Panzytopenie durch Azathioprin-Interaktion mit Allopurinol. Verstärkte Blutungsneigung bei Thrombopenie und Ulcus im Antrum.

Pathomechanismus

Azathioprin wird zur Immunsuppression eingesetzt. Es ist ein Prodrug und wird hepatisch zum wirksamen Metaboliten 6-Mercaptopurin metabolisiert. Dieses wird in 6-Thioguaninnukleotide umgewandelt, die als falsche Bausteine in Nukleinsäuren eingebaut werden. Daraus folgt eine Hemmung mehrerer Stufen der Nukleinsäuresynthese und dadurch eine Hemmung der Proliferation und Aktivität immunkompetenter Zellen (B- und T-Lymphozyten). 6-Mercaptopurin wird durch die Xanthinoxidase und TPMT inaktiviert. Allopurinol und andere Xanthinoxidasehemmer reduzieren den Abbau des 6-Mercaptopurins zu inaktiver 6-Thioharnsäure und können so die Bioverfügbarkeit und die Toxizität erhöhen.

Einfluss von Allopurinol auf die Verstoffwechslung von Azathioprin
Zeilenschaltung.
HGPRT: Hypoxanthin-Guanin-Phosphoribosyl-Transferase; TPMT: Thiopurin-Methyl-Transferase (nach [4])

Wichtige Hinweise – Lessons learned

  • Dosisreduktion von Azathioprin auf ein Viertel der normalen Dosis (25%) bei Kombination mit Allopurinol wegen zunehmender Hämatotoxizität.
  • Die häufigste Nebenwirkung von Azathioprin ist eine Depression des Knochenmarks mit Leukozytopenie bis Panzytopenie. Insbesondere Patienten mit TPMT-Mangel, Leber- bzw. Nierenfunktionsstörungen sind prädisponiert.
  • Bei genetisch verminderter Aktivität des Enzyms Thiopurin-Methyl-Transferase (TPMT) besteht ebenfalls ein höheres Risiko für myelotoxische Wirkungen des Azathioprins. Gleichzeitig verabreichte Arzneimittel, die das Enzym TPMT hemmen (z. B. die Aminosalicylate Olsalazin, Mesalazin und Sulfasalazin), können diesen Effekt verstärken. Testung auf TPMT-Mangel z. B. prätherapeutisch bei hochdosierter Azathioprin-Therapie oder bei rascher Verschlechterung des Blutbildes wird empfohlen.
  • Bei ersten Anzeichen einer abnormalen Änderung des Blutbildes sollte die Behandlung sofort unterbrochen werden, da die Anzahl der Leukozyten und Thrombozyten auch nach Behandlungsende weiter abnehmen kann.

Diesen Fall haben für Sie zusammengefasst
Dr. med. Anja Knüppel-Ruppert, Prof. Dr. med. Harald Dormann, Dr. rer. nat. Barbara Pfistermeister, Christine Schnitzer, Dr. med. Marina Karg

Quellen

  1. Fachinformation Imurek_Azathioprin_Aspen, Juli 2021
  2. Pharmawiki: Azathioprin
  3. Bradford K, Shih DQ. Optimizing 6-mercaptopurine and azathioprine therapy in the management of inflammatory bowel disease; World J Gastroenterol. 2011 Oct 7;
    17(37):4166–73.
  4. Karow T, Lang-Roth R. Allgemeine und spezielle Pharmakologie 2019

Kontakt

Klinikum Fürth
Studienzentrale der Zentralen Notaufnahme
Jakob-Henle-Straße 1
90766 Fürth

Falls Sie Fragen zu den Nebenwirkungen des Monats haben, schreiben Sie uns eine E-Mail an: zna-studienzentrale@klinikum-fuerth.de