Colchicin-Intoxikation wegen Überdosierung und Interaktion

Anamnese

Ein 68-jähriger Mann befindet sich nach einem akuten Gichtanfall in stationärer Behandlung und erhält Colchicin 8 mg an den ersten drei Behandlungstagen. Wegen eines kürzlich erlittenen Magenulkus erhielt der Patient nicht die anderen First-Line-Therapien mit NSAR und/oder Prednisolon [1, 2, 3]. Vor der erneuten Gabe des Colchicin am vierten Tag klagt der Patient über starke Übelkeit, Erbrechen und Durchfälle. Außerdem konnte in seinem Blutbild eine stark erniedrigte Konzentration an neutrophilen Granulozyten (98 Zellen/µl [Referenzbereich: 1500 bis 7700 Zellen/µl], entspricht 0,098 Gpt/l [Referenzbereich: 1,5 bis 7,7 Gpt/l]) festgestellt werden.

Aktuelle Medikation

Verapamil retard 240 mg 1–0–0 
Nexium MUPS 20 mg 1–0–0 
Akutmedikation: Colchicin 8 mg verteilt über drei Tage

Abb. 1. Der Wirkstoff Colchicin ist nach der Herbstzeitlosen ("Colchicum autumnale") benannt, aus der er bereits im 19. Jahrhundert isoliert wurde [Foto: privat]

Diagnose

Akute Colchicin-Intoxikation

Pathomechanismus

Colchicin ist ein Mitosehemmstoff mit enger therapeutischer Breite, der vor allem die Bildung neutrophiler Granuloyzten inhibiert und deren Einwanderung in entzündetes Gewebe unterbindet. In diesem Fall wurde die Maximaldosis von Colchicin (max. 6 mg pro Gichtanfall) überschritten.

Außerdem liegt eine klinisch relevante Wechselwirkung vor. Verapamil hemmt als CYP3A4-Inhibitor den Metabolismus von Colchicin, das größtenteils über dieses Enzym verstoffwechselt wird. Retardiertes Verapamil erhöht die maximale Plasmakonzentration (Cmax) von Colchicin um 30% [6]. Dies führt zu einem erheblichen Risiko für vermehrte Colchicin-UAW.

Wichtige Hinweise – Lessons learned

  • Die Behandlung mit Colchicin darf nur unter strenger intensiver Überwachung (Differentialbild sowie Kontrolle auf gastrointestinale Symptome) erfolgen!
  • Patienten sollten auf die strikte Einhaltung der Dosierungsangaben hingewiesen werden. [1]
  • Beim Auftreten von Durchfall oder Erbrechen ist die Behandlung sofort abzubrechen (erstes Anzeichen für Intoxikation). Eine Magenspülung sollte erfolgen sowie die Gabe von Aktivkohle und Laxanzien. Wegen der Gefahr für multiples Organversagen sind die Organfunktionen streng zu überwachen.
  • Eine Tagesdosis am ersten Tag von 2 mg, am zweiten und dritten Tag 2- bis 3-mal 0,5 mg und am vierten Tag ggf. 2-mal 0,5 mg bis zum Erreichen der Höchstdosis von 6 mg pro Gichtanfall wird in der Indikation "Behandlung des akuten Gichtanfalls" als ausreichend wirksam erachtet [1, 4].

Diesen Fall haben für Sie zusammengefasst
Christine Schnitzer, Dr. rer. nat. Barbara Pfistermeister, Dr. med. Anja Knüppel-Ruppert, Prof. Dr. med. Harald Dormann

Quellen

  1. Colchicin – gut informieren, vorsichtig dosieren, Bulletin zur Arzneimittelsicherheit_BfArM und PEI_Ausgabe 4_Dezember 2019 (abgerufen März 2023)
  2. Akute Gicht in der hausärztlichen Versorgung_DEGAM-Leitlinie_2013 (abgerufen März 2023)
  3. Langfassung zur S2e-Leitlinie Gichtarthritis_DGRh_2016 (abgerufen März 2023)
  4. Fachinformation Colchicin Tiofarma 0,5 mg Tabletten (Stand 09. Mai 2019)
  5. Wirkmechanismus Colchicin (abgerufen März 2023)
  6. MMI-AMTS-Service_MMI-Pharmindex Plus_Referenz: Abteilung Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie des Universitätsklinikums Heidelberg

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