Gallensteine durch Arzneimittel?

Anamnese

Ein 56-jähriger Patient stellt sich mit Verdacht auf akute Cholezystitis bei rechtsseitigen kolikartigen Oberbauchschmerzen vor. Eine langjährige Einnahme von Fenofibrat und Simvastatin bei Hypertriglyceridämie ist bekannt.

Aktuelle Medikation

Simvastatin 40 mg (0-0-1-0), p.o. (HMG-CoA-Reduktase-Hemmer)
Fenofibrat 250 mg (0-0-1-0), p.o. (Lipidsenker)
Bisoprolol 2,5 mg (1-0-0-0), p.o. (Beta-Adrenorezeptor-Antagonist, selektiv)

Diagnostik und Therapie

Sono Abdomen: Verdacht auf Cholezystitis mit Cholezystolithiasis. 

Labor:

  • CRP 16,7 mg/dl
  • Leukozyten: 13400/μl (Leukozytose)
  • Kreatinin: 1,68 mg/dl
  • GFR: 45 ml/min/1,73m²

 

Laparoskopische Cholezystektomie bei akuter hämorrhagisch ulzeröser und nekrotisierender Cholezystitis bei Cholezystolithiasis.

Pathomechanismus

Fenofibrat aktiviert den nukleären Rezeptor PPARα (Peroxisome Proliferator Activated Receptor). PPAR regulieren Gene, die im Lipidstoffwechsel eine Rolle spielen. U.a. wird die Lipoproteinlipase induziert. Es kommt zu einer moderaten LDL-Cholesterinsenkung, einer moderaten HDL-Cholesterinerhöhung und einer prominenten Triglyceridsenkung [5]. 

Fibrate führen über eine PPARα-vermittelte Downregulation der Cholesterol-7α-Hydroxylase (Schlüsselenzym der Gallensäurenbildung) zur verminderten Gallensäurebildung und zu cholesterolübersättigter Galle. Damit erhöht sich der lithogene Index und damit das Risiko für cholesterolhaltige Gallensteine [6, 7].

Im aktuellen Fall erhöhtes Risiko durch Abnahme der Nierenfunktion und fehlende Dosisanpassung.

Abb. 1. Gallensteine können asymptomatisch bleiben. Sie können aber auch den Ductus cysticus oder Ductus choledochus verschließen und zu Schmerzen und/oder einer akuten Cholezystitis führen.

Wichtige Hinweise – Lessons learned

  • Fibrate besitzen nach Einschätzung der Autoren der Nationalen Versorgungsleitlinie auf Grund ihres Nebenwirkungsprofils keine klinische Relevanz mehr zur Behandlung der Koronaren Herzkrankheit (KHK) [3]. Einsatz eventuell bei therapierefraktären Hypertriglyceridämien. Indikation überprüfen!
  • Fenofibrat ist kontraindiziert bei Leberinsuffizienz, bei bekannten Gallenblasenerkrankungen und bei einer GFR < 30 ml/min/1,73m².
  • Bei einer GFR unter 60 ml/min/1,73m² ist eine Dosisreduktion auf 100 mg Fenofibrat/d erforderlich.
  • 10% der Patienten mit Kombinationsbehandlung Fenofibrat + Simvastatin hatten einen deutlichen Kreatininanstieg.
  • Das Risiko einer Myopathie einschließlich einer Rhabdomyolyse ist bei gemeinsamer Gabe mit Statinen erhöht.
  • Monitoring: Kreatinin, Transaminasen, Creatinkinase
  • Medikamente, die lithogen wirken können: Fibrate (Fenofibrat, Bezafibrat, Gemfibrozil), Octreotid (bei Akromegalie), Ibandronsäure (Bisphosphonat), Estradiol (in Hormonersatztherapie und Kontrazeptiva), Dulaglutid, Liraglutid, Ceftriaxon (Calcium-Ceftriaxon-Ausfällungen) [6]
  • Sekundäre Hypercholesterinämien können unter folgenden Arzneimitteln auftreten: Diuretika, Betablocker, Kortikosteroide, Estrogene, Gestagene, kombinierte orale Kontrazeptiva, Immunsuppressiva und Proteaseinhibitoren. In diesen Fällen sollte geprüft werden, ob es sich um eine primäre oder sekundäre Hyperlipidämie handelt [1].

Diesen Fall haben für Sie zusammengefasst
Dr. med. Anja Knüppel-Ruppert, Prof. Dr. med. Harald Dormann, Dr. rer. nat. Barbara Pfistermeister, Christine Schnitzer

Quellen

  1. Fachinformation Fenofibrat 200 Heumann, Heumann, Juli 2020
  2. Gebrauchsinformation: Information für den Anwender Fenofibrat-ratiopharm® 100 mg Hartkapseln
  3. Nationale VersorgungsLeitlinie Chronische KHK. Leitlinienreport, 5. Auflage, 2019, AWMF-Register-Nr.: nvl-004
  4. Karow T, Lang-Roth R. Allgemeine und Spezielle Pharmakologie und Toxikologie 2019
  5. Seifert R. Basiswissen Pharmakologie, 2. vollst. überarb. u. aktual. Auflage, Springer-Verlag, 2021
  6. Afdhal NH, Zakko SF. Gallstones: Epidemiology, risk factors and prevention
  7. Ståhlberg, Dagny, et al. Influence of bezafibrate on hepatic cholesterol metabolism in gallstone patients: reduced activity of cholesterol 7 alpha-hydroxylase. Hepatology; 1995;21:1025-30

Kontakt

Klinikum Fürth
Studienzentrale der Zentralen Notaufnahme
Jakob-Henle-Straße 1
90766 Fürth

Falls Sie Fragen zu den Nebenwirkungen des Monats haben, schreiben Sie uns eine E-Mail an: zna-studienzentrale@klinikum-fuerth.de