Anamnese
Ein 44-jähriger Patient erlitt einen Schwächeanfall und klagte seitdem über Schwindel. Es gibt keine Anzeichen für eine Exsikkose. Im Labor zeigte sich eine Hyponatriämie, die wohl schon bekannt ist. Alle weiteren Laborwerte waren bei Aufnahme normwertig.
Medikation
Wirkstoff | Stärke | Darreichungsform | Einnahmeschema | Einheit | Grund | |
Bisoprolol | 2,5 mg | TAB | 1-0-1 | Stück | Arterielle Hypertonie | |
Candesartan | 8 mg | TAB | 1-0-1 | Stück | Arterielle Hypertonie | |
Lamotrigin | 100 mg | TAB | 0-0-1,5 | Stück | Einnahme seit SHT vor 15 Jahren, jedoch keine epileptischen Anfälle | |
Carbamazepin | 300 mg | RET | 1-0-1 | Stück | Einnahme seit SHT vor 15 Jahren, jedoch keine epileptischen Anfälle | |
Quetiapin | 50 mg | FTA | 0-0-0-1 | Stück | Schlafstörung |
FTA: Filmtablette; RET: Retardtablette; SHT: Schädel-Hirn-Trauma; TAB: Tablette
Diagnose
- Synkope
- SIADH (Syndrome of inappropriate ADH secretion)
- Serum-Natrium 125 mmol/l (Mittelschwere bis schwere Hyponatriämie)
- Natrium im Urin 38 mmol/l
Therapie
- Langsamer Natrium Ausgleich über mehrere Tage
- Indikationsprüfung und Ausschleichen von Carbamazepin durch den Neurologen
Pathomechanismus
Die Hyponatriämie ist eine der häufigsten Störungen des Elektrolythaushalts und wird bei Krankenhausaufnahme bei etwa 15 % der Patienten festgestellt [1]. Ab einem Serum-Natriumspiegel von < 135 mmol/l spricht man von eine Hyponatriämie und unter 125 mmol/l von einer schweren Hyponatriämie. Die Klinik korreliert dabei nur mäßig mit der Serum-Natriumwert, sie hängt auch von der Geschwindigkeit der Natriumsenkung ab.
Der Hyponatriämie liegt in der Regel kein "Natriummangel", sondern eine Störung des Flüssigkeitshaushaltes zugrunde [2]. Man unterscheidet drei Formen der Hyponatriämie: die hypervoläme, die normovoläme und die hypovoläme Hyponatriämie, wobei die normo- oder euvoläme Form die häufigsten sind. Ursache kann das Syndrom der inadäquaten Sekretion von antidiuretischem Hormon (SIADH) sein, das unter anderem auch durch bestimmte Wirkstoffe ausgelöst werden kann [1, 3, 4].
ADH (Antidiuretisches Hormon) reguliert die Wasserresorption in der Niere. Bei Zunahme der Osmolarität des Blutes, also bei erhöhter Natriumkonzentration, wird ADH aus dem Hypothalamus freigesetzt und erhöht durch eine gesteigerte Permeabilität im Sammelrohr und im distalen Tubulus die renale Wasserrückresorption [1, 5].
Beim Syndrom einer inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH) schüttet der Körper unabhängig von der Osmolarität ADH aus, die Ausscheidung von freiem Wasser wird gestört und es kommt zu einer euvolämen Hyponatriämie [1, 6]. Ursache für diese Störung der Osmoregulation können Arzneimittel sein, beispielsweise das Antikonvulsivum Carbamazepin [2].
Bei knapp der Hälfte aller chronisch mit Carbamazepin behandelten Patienten werden Hyponatriämien beobachtet, die meist toleriert werden, solange sie milde und asymptomatisch bleiben [2, 4].
Die Symptome einer Hyponatriämie sind variabel und initial oft relativ unspezifisch. Häufig treten Kopfschmerz, Übelkeit, Gangstörung aber auch Krampfanfälle bis hin zum Koma auf. Besonders ältere Patienten sind häufig betroffen, insgesamt ist die Hyponatriämie mit einer erhöhten Mortalität assoziiert, weshalb eine adäquate Therapie und das Absetzen auslösender Wirkstoffe wie Carbamazepin von großer Bedeutung sind [1–7].
Neben Carbamazepin werden auch Lamotrigin und Quetiapin als Ursache für Hyponatriämien diskutiert [8, 9]. Im aktuellen Fall ist also von einem additiven Effekt der drei Wirkstoffe auf die Hyponatriämie im Sinne einer pharmakodynamischen Interaktion auszugehen, wobei vermutlich der Effekt vom Carbamazepin dominiert.
Von neurologischer Seite sollte die Indikation für beide Antiepileptika überprüft werden und gegebenenfalls eine Therapieanpassung erfolgen [1].
Zusätzlich ist auch die Indikation für Quetiapin bei Schlafstörungen zu hinterfragen, denn bei Patienten mit Krampfanfällen in der Vorgeschichte ist es in der Regel kein Mittel der Wahl und nur mit Vorsicht anzuwenden, da es wie viele Antipsychotika möglicherweise die Krampfschwelle senken kann [10].
Wichtige Hinweise – Lessons learned
- Bei Patienten mit erhöhtem Risiko für Hyponatriämie (eingeschränkte Nierenfunktion, gleichzeitige Einnahme Natrium-senkender Arzneimittel), sollte die Serum-Natrium-Konzentration vor Behandlung mit Carbamazepin bestimmt werden; besonders ältere Patienten sind häufig betroffen [2].
- Regelmäßiges Monitoring der Serum-Natrium-Konzentration über einige Monate nach Behandlungsbeginn [2] und bei Verschreibung weiterer Arzneimittel mit Wirkung auf die Serum-Natrium-Konzentration.
- Das therapeutische Vorgehen richtet sich nach der Schwere der Symptomatik:
- Bei leichten Symptomen ist eine Flüssigkeitsrestriktion ausreichend.
- Je nach Schwere kann eine Therapie mit hypertoner Kochsalzlösung erwogen werden.
- Ursache erkennen und nach Möglichkeit beheben (z. B. Arzneimittel ausschleichen/absetzen) [1].
Diesen Fall haben für Sie zusammengefasst
Julia Groß1, Prof. Harald Dormann1, Prof. Renke Maas2, Dr. Barbara Pfistermeister1
1 Klinikum Fürth
2 Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie, Lehrstuhl für Klinische Pharmakologie und Klinische Toxikologie

Quellen
- Bullmann, C. Hyponatriämie. Arzneiverordnung in der Praxis. 2016;4:188–94.
- Fachinformation Timonil® retard, Stand November 2023.
- Berghuis B, de Haan GJ, van den Broek MP, Sander JW, et al. Epidemiology, pathophysiology and putative genetic basis of carbamazepine- and oxcarbazepine-induced hyponatremia. Eur J Neurol. 2016;23:1393–9. doi: 10.1111/ene.13069.
- Stephens WP, Coe JY, Baylis PH. Plasma arginine vaso-pressin concentrations and antidiuretic action of carba-mazepine. Br Med J. 1978;1:1445–7.
- Fröhlich JC. Hyponatriämie durch Krampflöser? CME. 2012;9: 39.
- Pinkhasov A, et al. Management of SIADH-related hyponatremia due to psychotropic medications - An expert consensus from the Association of Medicine and Psychiatry. J Psychosom Res. 2021;151:110654.
- Schwarz C, et al. Konsensusempfehlungen zur Diagnose und Therapie der Hyponatriämie der Österreichischen Gesellschaft für Nephrologie 2024 [Consensus recommendations on the diagnosis and treatment of hyponatremia from the Austrian Society for Nephrology 2024]. Wien Klin Wochenschr. 2024;136(Suppl 1):1-33. doi: 10.1007/s00508-024-02325-5.
- Lu X, Wang X. Hyponatremia induced by antiepileptic drugs in patients with epilepsy. Expert Opin Drug Saf. 2017;16(1):77-87. doi: 10.1080/14740338.2017.1248399.
- Kang SG, Choi SH, Kim HY, et al. Low-dose Quetiapine-induced Syndrome of Inappropriate Antidiuretic Hormone in a Patient with Traumatic Brain Syndrome. Clin Psychopharmacol Neurosci. 2020;18(1):164–6. Erratum in: Clin Psychopharmacol Neurosci. 2021;19(1):179.
- Fachinformation Seroquel® Prolong, Stand Juli 2024.
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