Methämoglobinämie nach Arzneimitteleinnahme

Anamnese

Eine 77-jährige Frau wird mit seit fünf Tagen anhaltendem Schwindel, Dyspnoe und Allgemeinzustandsverschlechterung in die Klinik eingewiesen. Zusätzlich hatte sie ein gräulich-bläuliches verfärbtes Nagelbett und eine diskrete Lippenzyanose. In der Blutgasanalyse (BGA) zeigt sich eine Methämoglobinämie mit 10 %. Sie erhielt aktuell eine immunsupressive Therapie wegen eines Pemphigoids (Autoimmunerkrankung der Haut mit generalisiert auftretenden prallen Blasen).

Medikation

WirkstoffStärkeDarreichungsformEinnahmeschemaIndikation
Atorvastatin20 mgTAB0-0-0,5Hypercholesterinämie
Bisoprolol5 mgTAB1-0-0Arterielle Hypertonie
Candesartan8 mgTAB1-0-0,5Arterielle Hypertonie
Prednisolon4 mgTAB1-0-0Anti-p200-Pemphigoid
Dapson50 mgTAB---Anti-p200-Pemphigoid
OmalizumabUNBFERAlle 14 TageAnti-p200-Pemphigoid

UNB: ; FER: Fertigspritze; TAB: Tablette

Diagnose

  • Methämoglobinämie (10 %) nach einmonatiger Einnahme von Dapson

Therapie

  • Pausieren von Dapson
  • Sauerstoffgabe, Methämoglobin Verlaufskontrolle und einmalig 5000 mg Ascorbinsäure i.v.
  • Ggf. Gabe von Methylenblau (hierauf wurde aufgrund der bereits eingetretenen klinischen Verbesserung verzichtet)

Pathomechanismus

Dapson (Di-amino-di-phenyl-sulfon) ist ein synthetisches Sulfonsäure Derivat, das eine bakteriostatische Wirkung aufweist [1]. Es wirkt hemmend auf die Folsäuresynthese, durch kompetetive Verdrängung der p-Aminobenzoesäure aus der Bindestelle der Dihydropteroat-Synthase [2]. Zusätzlich wirkt Dapson antiinflammatorisch, indem es die Myeloperoxidase der Granulozyten hemmt, wodurch weniger reaktiver Sauerstoff entsteht und somit Entzündungsreaktionen reduziert. Einsatz findet Dapson deswegen zum Beispiel bei Lepra, Rheuma oder auch bei entzündlichen Hauterkrankungen wie Dermatitis herpetiformis [6, 7].

Methämoglobin entsteht in geringen Mengen auch bei Gesunden durch Oxidation von zweiwertigem (Fe2+) zu dreiwertigem Eisen (Fe3+) im Hämoglobin. MetHb kann keinen Sauerstoff im Blut transportieren, was die Klinik erklärt [3].  

Durch köpereigene Enzyme wie die NADH-abhängige Methämoglobinreduktase (bzw. NADH-Cytochrom-b5-Reduktase) wird das Methämoglobin wieder zu Hämoglobin abgebaut (reduziert). Die körpereigene Abbaukapazität kann aber durch Mutationen des Hämglobins oder durch medikamenteninduzierte Methämoglobinbildung überlastet und/oder durch genetische Defekte und/oder arzneimittelbedingte Hemmung des Abbaus gestört werden. Hierzu gehört auch ein Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel (G6PD-Mangel) bei dem nicht genug NADH für die Methämoglobinreduktase bereitsteht.

Durch oxidierende Arzneimittel wie Dapson kann die physiologisch vorliegende Konzentration von etwa 1 % (bzw. 0,15 g/dl) erhöht werden [8]. Es kommt zu typischen Sauerstoffmangelerscheinungen wie Kopfschmerzen, Benommenheit, Zyanose, Atemnot, Verwirrtheit und ab einer Konzentration von 70 % im Blut zum Koma [5, 7].

Es gibt eine ganze Reihe weiterer Medikamente, die zu Methämoglobinbildung führen können, z.B. Lokalanästhetika (Benzocain, Lidocain, Prilocain), Nitrate, Nitrite, Nitroglycerin, Nitroprussid, Primaquin und Sulfonamide. 

Wichtige Hinweise – Lessons learned

  • Bei den ersten Anzeichen einer Methämoglobinämie sofortiges Absetzen des Arzneimittels.
  • Als Antidot: Methylenblau 1 mg/kg Körpergewicht i.v. oder Vitamin C 5 g langsam i.v. alle 6 h [1, 3]. Diese fungieren als Elektronendonatoren und beschleunigen die NADPH-abhängige Reduktion zurück zum Hb [3, 4].
  • Bei Glucose 6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel ist Methylenblau ineffektiv und kann zu einer schweren Hämolyse führen [5].
  • Methylenblau verfärbt die Haut blau [3].
  • Die mittels Pulsoxymetrie bestimmte Sauerstoffsättigung ist bei Methämoglobin oft ungenau (die arterielle Blutgasanalyse ist hier vorzuziehen) [9].
  • Zusätzlich kann medizinische Kohle genutzt werden, um die Clearance zu beschleunigen [6].

Diesen Fall haben für Sie zusammengefasst
Julia Groß1, Prof. Harald Dormann1, Prof. Renke Maas2, Dr. Barbara Pfistermeister1

1 Klinikum Fürth

2 Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie, Lehrstuhl für Klinische Pharmakologie und Klinische Toxikologie

Quellen

  1. Shenouda M, Padilla M, Silva J, Castillo H, Austin A. Dapsone-Induced Methemoglobinemia: A Case Report. Cureus. 2022;14(2):e22466. doi: 10.7759/cureus.22466.
  2. Gelbe Liste: Dapson.
  3. Ivek I, Knotek T, Ivičić T, Rubinić B, Bajlo P, Hamzić J. Methemoglobinemia – a case report and literature review. Acta Clin Croat. 2022;61(Suppl 1):93–98. doi: 10.20471/acc.2022.61.s1.16.
  4. Jacob G, Schorr M, Moist LM. Methemoglobinemia in a 28-year-old woman treated with dapsone. CMAJ. 2022;194(30):E1062–E1065. doi: 10.1503/cmaj.212015.
  5. Iolascon A, Bianchi P, Andolfo I, Russo R, Barcellini W, Fermo E, et al. Recommendations for diagnosis and treatment of methemoglobinemia. Am J Hematol. 2021;96(12):1666–1678. doi: 10.1002/ajh.26340.
  6. Burke P, Jahangir K, Kolber MR. Dapsone-induced methemoglobinemia: case of the blue lady. Can Fam Physician. 2013;59(9):958–961.
  7. Fachinformation Dapson-Fatol 50 mg, Tabletten; Stand Mai 2025
  8. Keerty D, Eaton K, Haynes E. Dapsone-Induced Hypoxia. Cureus. 2020;12(7):e9334. doi: 10.7759/cureus.9334.
  9. Limper U, Covrig D, Lange J, Annecke T. Perioperative management of oxygenation in hereditary methaemoglobinaemia. Br J Anaesth. 2024;132(4):793–795. doi: 10.1016/j.bja.2023.12.018.

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