Vorsicht Wechselwirkung

Anamnese

Eine 51-jährige multimorbide Patientin mit Zustand nach Nierentransplantation unter Immunsuppression mit Sirolimus und Mycophenolsäure stellt sich mit Allgemeinzustandsverschlechterung und Verdacht auf ambulant erworbene Pneumonie vor, die dann antibiotisch behandelt wird. Im Verlauf treten Übelkeit und Erbrechen sowie eine beginnende Stomatitis auf.

Aktuelle Medikation

Antihypertensiva, Antidiabetika, duale Thrombozytenaggregationshemmung, Quetiapin, Duloxetin

Clarithromycin 500 mg (1-0-1-0) i.v.
Sirolimus 2 mg (1-0-0-0) p.o.
Mycophenolsäure 180 mg (1-1-1-1) p.o.

Diagnose

Akute Enteritis, Stomatitis bei Sirolimus-Intoxikation durch Interaktion mit Clarithromycin (Sirolimus-Spiegel 17 μg/l, patientenindividuell zu hoch, daher wurde Sirolimus pausiert).

Pathomechanismus

Sirolimus hemmt die immunvermittelte T-Zellaktivierung und verhindert so die Transplantatabstoßung. Es ist Substrat von CYP3A4 und P-Glykoprotein (P-gp). Bei Unterdosierung kann es zu Abstoßungsreaktionen kommen, bei Überdosierungen treten häufiger Nebenwirkungen wie Infektionen, gastrointestinale Beschwerden (Bauchschmerzen, Übelkeit, Stomatitis) oder Knochenmarksdepressionen auf.

Clarithromycin, ein bakteriostatisches Makrolid-Antibiotikum, ist ein potenter Inhibitor von CYP3A4 und P-gp. Es erhöht damit auf zwei verschiedenen Wegen den Blutspiegel von Sirolimus:

  1. Als starker Inhibitor von CYP3A4 kann es einen >5-fachen Anstieg der bioverfügbaren Menge oder eine mehr als 80%ige Abnahme der Clearance von CYP3A4-Substraten (Sirolimus) verursachen. CYP3A4 ist an der Verstoffwechslung von fast 50% aller Arzneistoffe beteiligt.
  2. Bei gleichzeitiger Anwendung von Clarithromycin als P-gp-Inhibitor mit einem P-gp Substrat (Sirolimus) wird weniger Sirolimus zurück ins Darmlumen gepumpt. P-gp ist ein transmembranäres Effluxtransportprotein, das aktiv gegen ein Konzentrationsgefälle Arzneimittel zurück ins Darmlumen pumpt, wodurch deren Absorption verringert wird. Wird es gehemmt, steigen die Blutspiegel von Substraten.

Wichtige Hinweise – Lessons learned

  • Sirolimus nicht gleichzeitig mit starken CYP3A4-Inhibitoren (wie Ketoconazol, Voriconazol, Itraconazol, Telithromycin oder Clarithromycin) oder CYP3A4-Induktoren (wie Rifampicin, Rifabutin) verabreichen.
  • Bei Makrolid-Antibiotika (Clarithromycin, Erythromycin) immer auch an deren Wechselwirkungspotenzial denken und die aktuelle Medikation auf CYP-Interaktionen überprüfen. Nur Azithromycin geht keine signifikanten Wechselwirkungen mit dem hepatischen Cytochrom-P450 System ein.
  • Die Sirolimus-Vollblutspiegel sollten engmaschig kontrolliert werden
    • bei Patienten mit Leberfunktionsstörung
    • bei gleichzeitiger Anwendung von CYP3A4-Induktoren oder -Inhibitoren sowie nach deren Absetzen und/oder
    • nach Dosisreduktion oder Absetzen von Ciclosporin, da bei diesen Patienten in der Regel spezielle Dosierungsschemata erforderlich sind.

Diesen Fall haben für Sie zusammengefasst
Dr. rer. nat. Barbara Pfistermeister, Dr. med. Anja Knüppel-Ruppert, Christine Schnitzer, Prof. Dr. med. Harald Dormann, Dr. Birgit Bayer

Quellen

  1. Fachinformation Rapamune 2 mg (Sirolimus), Stand Juli 2021
  2. Fachinformation Klacid 500 mg retard (Clarithromycin), Stand Oktober 2018
  3. Gelbe Liste: P-Glycoprotein
  4. Gelbe Liste: CYP3A4
  5. Fachinformation Zithromax 250 mg (Azithromycin), Stand Mai 2021

Kontakt

Klinikum Fürth
Studienzentrale der Zentralen Notaufnahme
Jakob-Henle-Straße 1
90766 Fürth

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