Auswirkungen des Arzneimittelversorgungswirtschaftlichkeitsgesetz (AVWG) auf die Krankenhäuser


Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) e. V.

ADKA-Statement

Mehrkosten für Krankenhäuser durch Gesetzesänderung

Das mit dem AVWG verbundene Ziel, Ausgabensteigerungen im Arzneimittelbereich zu vermeiden und einen Beitrag zur besseren Steuerung der Arzneimittelausgaben zu leisten, wird vom Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) e.V. grundsätzlich begrüßt. Die Krankenhausapotheker verfolgen dieses Ziel im Krankenhaussektor seit langem. Es mag zielführend sein, in dem durch die Arzneimittelpreisverordnung (AmPrVO) regulierten Marktsegment zusätzliche Rabatte, die die gesetzlich vorgesehenen Gewinnmargen der öffentlichen Apotheken erhöhen, zu unterbinden und dieses Potenzial zugunsten der GKV abzuschöpfen. Inwieweit diese Maßnahme angesichts möglicher Umgehungen effektiv sein wird, bleibt nachzuweisen. Aktuelle Entwicklungen wie beispielsweise Angebote zu Rückvergütung über Beratungsverträge oder Großhandelsgründungen im Ausland stellen dies in Frage.

Durch das Verbot von Naturalrabatten (Zugabe von Ware gleicher Art) für den von der AmPrVO ausgenommenen Krankenhaussektor wird ein international übliches Instrument der freien Preisfindung in einem nicht regulierten Markt verboten. Krankenhausapotheker sind durch ihre Dienstpflicht gehalten ohne persönliche Gewinnabsicht wirtschaftlich für das Krankenhaus Arzneimittel einzukaufen und können sich so nicht den oben genannten Umgehungsmöglichkeiten bedienen. Noch weitergehend ist das durch Meinungsäußerungen aus dem BMG intendierte und von großen Teilen der pharmazeutischen Industrie dankbar aufgegriffene – vermeintlich eingeschlossene – Verbot der Lieferung kostenloser Ware. Dadurch hat die Politik mutwillig einen ökonomischen Schaden für die deutschen Krankenhäuser verursacht, der mit mehreren hundert Millionen Euro beziffert wird. Dies soll zu Einsparungen für die GKV im ambulanten Bereich führen. Ein Ausgleich dieser Kostensteigerung für die Krankenhäuser ist bisher nicht vorgesehen. Vielmehr wird die Erhöhung der Mehrwertsteuer allein im Bereich der Arzneimittel weitere Mehrkosten von 99 Millionen Euro für die Krankenhäuser verursachen.

Bisherige Folgen des AVWG für die deutschen Krankenhäuser sind:

- Mehrkosten durch Wegfall von Naturalrabatten

- Mehrkosten durch Preisbildung für bislang kostenfreie Arzneimittel, beispielsweise Mehrkosten im Bereich der Humaninsuline und zu einem geringen Teil auch bei Insulinanaloga, wobei die identische Preisfindung der Hersteller die Mechanismen des freien Markts verhindert.

- Mehrkosten durch Neuverhandlungen und Preissteigerungen, die mit dem AVWG und daraus folgenden hohe Verlusten im niedergelassenen Sektor gerechtfertigt werden.

- Preiserhöhungen mit Verweis auf das AVWG bei anderen Produktgruppen, beispielsweise Medizinprodukten und Diagnostika.

Die als Folge hiervon entstehenden erheblichen Mehrkosten für die Krankenhäuser stellen eine zusätzliche Ertragsmöglichkeit für die pharmazeutische Industrie dar. Durch die Bestimmungen des AVWG werden funktionierende Marktmechanismen zerstört und mutwillig Mehrkosten für die Krankenhäuser generiert, die bisher nicht durch die Kostenträger ausgeglichen werden.

Der Gesetzgeber war sich dieser Mehrkosten sicher bewusst, denn in den Begründungen zum Gesetzentwurf wurde ausgeführt, dass die entstehenden Verluste im Krankenhausbereich durch Einsparungen im ambulanten Bereich kompensiert werden. Die Krankenhäuser erwarten deshalb zu Recht, dass die entstehenden Mehrkosten von den Kostenträgern bereits in 2006 erstattet und damit für die Krankenhäuser kostenneutral kompensiert werden.

Intersektorale Arzneimittelversorgung – § 115c SGB V

Der Sachverständige Dr. Leonhard Hansen (KV Nordrhein) hat ausgeführt, dass bei etwa der Hälfte der Patienten 80% der Folgekosten bei hochpreisigen Präparaten durch die Entlassmedikationen des Krankenhauses ausgelöst würden. Die ADKA stellt diese Größenordnung in Frage. Bereits in der Vergangenheit wurden die Kosten des niedergelassenen Bereichs bei den Entscheidungen der Arzneimittelkommissionen der Krankenhäuser, wann immer möglich, berücksichtigt.

Darüber hinaus ist die Situation komplexer und muss differenziert betrachtet werden. Echte Arzneimittelinnovationen hat es schon immer gegeben und wird es hoffentlich auch zukünftig geben. Sie sind für die ambulante und stationäre Versorgung der Patienten von Bedeutung und ihr Einsatz wird von allen Politikern den Bürgern garantiert. Der Krankenhausapotheker begleitet mit seinem pharmakologischen und pharmakoökonomischen Fachwissen die Evidenz-basierte Einführung dieser Innovation in die Arzneimittelversorgung im Krankenhaus. In seinen Aufgabenbereich fällt auch, die Mitverantwortung, die Finanzierung zu gewährleisten. All dies geschieht in enger Absprache mit den Krankenhausärzten und der Geschäftsführung der Krankenhäuser sowie zunehmend auch mit ärztlichen Kollegen im niedergelassenen Bereich. Der Vorwurf, Krankenhäuser ermöglichten Scheininnovationen den unkontrollierten Eintritt in den GKV-Markt, lässt sich nicht belegen. Vielmehr dokumentieren die Arzneimittelanamnesen im Krankenhaus, dass „Me-Too-Präparate“ teilweise auch als Ärztemuster einen erheblichen Verbreitungsgrad im ambulanten Bereich haben.

Die Gewährleistung einer kontinuierlichen, reibungslosen und qualitätsgesicherten Arzneimittelversorgung über die sektoralen Grenzen von ambulant und stationär hinaus ist für Krankenhausapotheker ein wichtiges Anliegen. Diesem wurden in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von erfolgreichen Projekten und Initiativen gewidmet. Die Krankenhausapotheker beteiligen sich aktiv an der Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten und unterstützen so die Umsetzung des § 115 c SBG V. Als einzige Fachgesellschaft haben die Krankenhausapotheker zeitnah einen substanziellen, wissenschaftlichen und objektiven Beitrag durch Erstellung und Veröffentlichung der Äquivalenztabellen indikationsgleicher Arzneimittel (AABG-Äquivalenztabellen) geleistet.

Im § 92 Abs. 2 SGB V wird der Gemeinsame Bundesausschuss beauftragt, aktuelle Preisvergleichslisten über die Kosten von Arzneimitteln im ambulanten Bereich zu erstellen. Dies ist bisher noch nicht erfolgt. Die Krankenhausapotheken haben schon seit langem Preisinformationen zu Arzneimittelkosten im ambulanten Bereich zur Verfügung gestellt. Diese dienen den Ärzten im Krankenhaus als Grundlage für eine wirtschaftliche Folgetherapie. In einigen Kliniken nehmen darüber hinaus niedergelassene Ärzte an Arzneimittelkommissionssitzungen teil.

In Kliniken ohne eigene Krankenhausapotheke ist allerdings das Wissen über die Kosten der Arzneimittel im ambulanten Bereich rudimentär.

Die Krankenhausapotheker werden diese Maßnahmen konsequent weiter verfolgen und gemeinsam mit Krankenhausärzten und Vertragsärzten Therapiestandards etablieren, die sowohl Qualitäts- als auch Kostenkriterien im ambulanten und stationären Bereich berücksichtigen.

Der Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) e.V. fordert die Bundesregierung auf, die zunehmende Bürokratisierung und Einschränkung des freien Arzneimittelmarkts im Krankenhaus sowie die eingeführten Wettbewerbseinschränkungen für das Krankenhaus und die Krankenhausapotheke zu korrigieren und die aktuellen AVWG-bedingten Mehrkosten der Krankenhäuser zu kompensieren.

Präsidium des Bundesverbands Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) e. V., Michael Lueb, Evangelisches Krankenhaus Bielefeld, Apotheke im Johannesstift, Schildescher Str. 99, 33611 Bielefeld, E-Mail: praesident@adka.de

Ausschuss Arzneimittelökonomie, Prof. Dr. Wolfgang Kämmerer, Apotheke der Dr.-Horst-Schmidt-Kliniken, Ludwig-Erhard-Straße 100, 65199 Wiesbaden, E-Mail: apotheke.hsk.wi@t-online.de


Krankenhauspharmazie 2006; 27(09)