Klaus Tönne, Berlin
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
am 11. September 2008 hat der Europäische Gerichtshof sein Urteil im Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland bezüglich der Arzneimittelversorgung von Krankenhäusern gesprochen. Wie Sie sicher alle verfolgt haben, ist die Klage der EU-Kommission abgewiesen worden.
Dabei hat das Gericht, weitestgehend dem Schlussantrag des französischen Generalanwalts Yves Bot folgend, festgestellt, dass die Regelungen in § 14 des deutschen Apothekengesetzes zwar ein indirektes Regionalprinzip bedeuten und somit eine Wettbewerbsbeschränkung nach EU-Recht darstellen, dass es aber gleichwohl hierfür Rechtfertigungsgründe, insbesondere im Hinblick auf die Versorgungsqualität der Patienten, gibt. So stellt das Gericht deutlich heraus, dass es in der Entscheidungskompetenz des Nationalstaates liegt, in welchem Maße und durch welche Maßnahmen er die Sicherheit der Arzneimittelversorgung seiner Bevölkerung regelt.
Ebenso sehen die Richter in Luxemburg in der deutschen Regelung eine Maßnahme, die sicherstellen soll, dass die Krankenhausversorgung durch eine externe Apotheke qualitativ gleichwertig zu der Versorgung durch eine Krankenhausapotheke zu sein hat. Dies unterstreicht ebenfalls unseren Qualitätsanspruch, den wir an eine hochwertige Arzneimittelversorgung in der Klinik stellen.
Schließlich ging es ja in dem Verfahren gar nicht wirklich um die Frage, ob nun eine portugiesische Apotheke eine Klinik in Schleswig-Holstein versorgen könnte. Nein, es waren große deutsche Klinikketten, die ihre Arzneimittelversorgung gerne deutschlandweit zentralisiert hätten. Und dass die EU-Kommission diese Absicht nicht erkannt haben soll, kann und will ich nicht glauben.
So verlockend eine solche Zentralisierung ja auch aus rein logistischer Betrachtungsweise sein mag: An den eigentlichen Bedürfnissen der Klinikpatienten ginge das vorbei! Die orts- und zeitnahe, patientenindividuelle Versorgung ist unsere primäre Aufgabe, und sie wird es auch in Zukunft in immer stärkerem Maße sein. Dies hat der EuGH erkannt, und er hat ein richtiges Urteil dazu gesprochen.
Nun soll man aber nicht glauben, dass die eigentlichen Treiber des Verfahrens jetzt Ruhe geben würden. Sie werden weiter auf vielen Ebenen versuchen, ihre Vorstellungen zu realisieren. Und hier müssen wir sehr aufmerksam sein. Insbesondere müssen wir mehr denn je darauf achten, wie sich die Genehmigungspraxis für Klinik-Versorgungsverträge entwickelt. Schon seit einiger Zeit beobachten wir, dass es hierbei regionale Unterschiede gibt. Deshalb fordern wir die für die Genehmigung derartiger Verträge zuständigen Aufsichtsbehörden erneut auf, ihre Genehmigungspraxis einerseits noch einmal kritisch zu überdenken und andererseits auf nationaler Ebene zumindest im Wesentlichen miteinander abzustimmen.
Das Gesetz gibt hier zwar keine festen Regeln vor; „unverzüglich“ bedeutet halt „ohne schuldhaftes Zögern“. Teleologisch kann dies aber nur heißen, dass im Notfall der Patient so rasch mit den benötigten Arzneimitteln versorgt werden muss, dass daraus kein Schaden für ihn entsteht. Eine oft anzutreffende Praxis hierbei ist, dass man Verträge genehmigt, die eine Versorgung im Zeitrahmen von maximal einer Stunde zulassen. Dies scheint auch uns ein pragmatischer Rahmen zu sein. Es bedarf also unser aller Wachsamkeit, hier keine weiteren Ausfransungen entstehen zu lassen.
Bleibt noch abzuwarten, ob und wie weit dieses Urteil womöglich auch Auswirkungen auf die Entscheidung des EuGH zum Fremd- und Mehrbesitz hat. In der Frage des Fremdbesitzverbots hat sich die ADKA stets als Befürworter der bestehenden Regelung bekannt und tut dies auch weiterhin. Und wir glauben auch, dass sich die Situation für ein Bestehenbleiben des Fremdbesitzverbots zumindest nicht verschlechtert hat. Immerhin ist in diesem Verfahren ebenfalls Yves Bot der zuständige Generalanwalt, dessen Schlussantrag für den 16. Dezember 2008 angekündigt ist. Wenn er eine ebenso differenzierte Betrachtungsweise wie im Verfahren zur Krankenhausversorgung wählt, dürfte hier ein breites Spektrum von Lösungsmöglichkeiten offenstehen. Hoffen wir, dass auch hier das Wohl des Patienten höher eingeschätzt wird als allzu durchsichtige wirtschaftliche Partikularinteressen.
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