Lieferschwierigkeiten im Arzneimittelsektor


Vorübergehender Engpass oder Gefährdung der Patienten?

Dr. Martin J. Hug, Freiburg

Vorübergehender Engpass oder Gefährdung der Patienten?

Aus einer aktuellen Pressemeldung ist zu entnehmen, dass die Produktionsanlagen eines großen Lohnherstellers von weltweit eingesetzten Arzneimitteln endgültig geschlossen werden. Dies aufgrund von nicht zu behebenden Mängeln in der baulichen und technischen Substanz des Betriebes. Es ist davon auszugehen, dass die dadurch entfallene Produktionskapazität nicht ohne weiteres von anderen Herstellungsbetrieben aufgefangen wird. Nachrichten dieser und ähnlicher Art sind alarmierend. Uns Krankenhausapotheker wird das Thema Lieferengpässe im kommenden Jahr mehr denn je beschäftigen. Für Anhänger der neuesten Smartphone-Generation gehört ein Lieferengpass schon fast zum guten Ton – zeigt er doch, dass die Nachfrage nach dem begehrten Gerät größer als die gelieferte Stückzahl ist, weil das Produkt offenbar eine besondere Qualität zu besitzen scheint.

Bei Arzneimitteln stellt sich die Situation aber anders dar. Jeder Lieferengpass ist – auch bei einem nach Auffassung des Herstellers nicht lebenswichtigen Medikament – ein arzneimittelbezogenes Problem (ABP). Dieses kann auch immer eine Patientengefährdung bedeuten. Bei Auftreten von ABP ist eine Meldung an den Stufenplanbeauftragten des jeweiligen Unternehmens fällig. Dieser hat seinerseits nach §63a Absatz 1 Arzneimittelgesetz bzw. §19 Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung die Anzeigepflichten gegenüber den Behörden. Dass dem so ist, haben auch die Herstellerverbände BAH, BPI, Pro Generika und vfa in einem gemeinsamen Positionspapier eingeräumt. In dieser Stellungnahme werden allerdings gegen die Einführung eines zentralen Melderegisters Bedenken geäußert. In Wirklichkeit ist es aber höchst sinnvoll und wichtig, dass die Behörden über ein geordnetes Meldewesen Kenntnis von den Dimensionen dieses Problems erhalten, um gegebenenfalls weitergehende Maßnahmen ergreifen zu können.

Es ist schwer zu sagen, ob die steigende Anzahl der Meldungen der Stufenplanbeauftragten oder der in diesem Jahr spürbar zunehmende mediale Druck das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte dazu bewogen hat, im April dieses Jahres eine Liste mit aktuellen Lieferengpässen zu veröffentlichen. Bis jetzt lässt sich noch nicht erkennen, nach welchem Prinzip die Aufnahme in diese Liste, die aktuell keine 20 Einträge enthält, erfolgt. Manche der hier aufgeführten Arzneimittel sind bereits seit mehreren Jahren nicht lieferbar, bei anderen ist nicht zu erkennen, bei welcher lebensbedrohlichen Erkrankung durch das Fehlen dieses Präparats die Behandlung verhindert wird. Trotzdem – ein Anfang ist gemacht. Es bleibt nun zu hoffen, dass die Hersteller auch bereit sind, diese Liste mit entsprechenden Informationen zu füllen.

Für uns Krankenhausapotheker werden Lieferengpässe auch weiterhin eine Herausforderung darstellen, trotz der in §30 ApBetrO auferlegten Pflicht, einen durchschnittlichen Bedarf von zwei Wochen vorrätig zu halten. Selten pflegt ein Lieferengpass nur zwei Wochen zu dauern. Niemand kann zudem voraussehen, ob nicht gerade vor Ablauf dieser Zeitspanne besonders viele Patienten das aktuell nicht lieferbare Medikament benötigen. Der diesjährige wissenschaftliche Kongress unseres Berufsverbandes hat die Versorgungssicherheit deshalb als wesentlichen Programmpunkt formuliert. Für den Umgang mit Lieferengpässen wurden im Rahmen des Kongresses verschiedene Ansätze vorgestellt. Auf jeden Fall sollte möglichst früh das jeweilige ärztliche und pflegerische Team, aber vielleicht auch der betroffene Patient selbst über das Problem informiert werden. Natürlich ist stets zu prüfen, ob ein anderes Medikament mit gleicher Zusammensetzung und gleicher Wirkung zur Verfügung steht; die Entscheidung wird der behandelnde Arzt gemeinsam mit dem Apotheker zu treffen haben. Neben dem aufwendigen, rechtlich nicht unproblematischen und häufig kostspieligen Import äquivalenter Arzneimittel aus dem Ausland sollten wir nicht vergessen, dass Apotheken auch in der Lage sind, Medikamente selbst herzustellen. Nicht zuletzt zeigen auch die vielen dankbaren Rückmeldungen aus ADKA intern, dass durch unbürokratische Hilfe aus dem Kollegenkreis das aus dem Lieferengpass resultierende ABP gelöst war, bevor es den Patienten erreichen konnte. Hier kommt uns Krankenhausapothekern unser hoher Vernetzungsgrad zugute.

Wir sollten aber auch bei der in jedem Qualitätsmanagementsystem verankerten Lieferantenbewertung das Merkmal „Lieferfähigkeit“ einfließen lassen. Gerade jetzt, da das Thema Ausschreibungen von Arzneimitteln in Krankenhausverwaltungen und Einkaufsverbänden heftig diskutiert wird, können wir damit auf die Problematik der häufigen Lieferengpässe und deren Folgen hinweisen. Nur bei maximaler Flexibilität im Einkauf können wir die Gefährdung unserer Patienten durch nicht rechtzeitig oder nicht in ausreichender Menge gelieferte Arzneimittel verhindern.

Es bleibt zu hoffen, dass wir uns auch im kommenden Jahr trotz der mit Sicherheit zu erwartenden Lieferengpässe nicht die Freude an der Arbeit in der Krankenhausapotheke nehmen lassen. Für 20134 wünsche ich Ihnen in jedem Fall alles Gute.

Dr. Martin J. Hug, Freiburg [Foto: privat]

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