Arzneimittelinformation aus der Krankenhausapotheke


Leitlinie der ADKA zur Qualitätssicherung. Stand der letzten Änderung: 14.03.2014

Expertengremium: Dr. Dorothea Strobach, München, Dr. Carolin Schuhmacher, Villingen-Schwenningen, Dr. Steffen Amann, München, Jacqueline Menchini, Konstanz, Dr. Claudia Mildner, Mainz, Christiane Querbach, München, Dr. Cornelia Vetter-Kerkhoff, München (Vorsitz), in Abstimmung mit den ADKA-Landesverbänden

Krankenhauspharmazie 2014;35:230–7.

Inhaltsverzeichnis

I Präambel

II Zweckbestimmung und Geltungsbereich

III Regulatorische Anforderungen

IV Anfragebearbeitung in Krankenhausapotheken

IV-1 Anfrage aufnehmen

IV-1.1. Fragesteller, Kontaktdaten und Dringlichkeit

IV-1.2. Hintergrundinformationen erfassen

IV-2 Klassifikation der Anfrage

IV-3 Recherche

IV-4 Analyse und Bewertung der Daten

IV-5 Weitergabe der Informationen

IV-6 Dokumentation

IV-7 Follow-up

IV-8 Maßnahmen zur Qualitätssicherung

V Verabschiedung

I Präambel

Die Information und Beratung von Ärzten und Pflegekräften zur Auswahl und Anwendung von Arzneimitteln ist eine gesetzlich vorgeschriebene Aufgabe des Krankenhausapothekers. Sie ist Teil der im Leitbild des Krankenhausapothekers geforderten „Schaffung des bestmöglichen Nutzens der Arzneimitteltherapie für den Patienten“ [23]. Unter Arzneimittelinformation im Sinne dieser Leitlinie wird die Erfassung und Bearbeitung komplexer Anfragen zu Arzneimitteln, der Arzneimitteltherapie, Medizinprodukten, Nahrungsergänzungsmitteln oder anderen apothekenüblichen Waren eines Patienten oder einer Patientengruppe verstanden. Sie dient der Sicherstellung einer sicheren und effektiven Arzneimitteltherapie.

Arzneimittelinformation gehört zu den zentralen klinisch-pharmazeutischen Dienstleistungen im Krankenhaus. In internationalen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass der Arzneimittelinformationsservice der Krankenhausapotheke das Patienten-Outcome verbessert, die Mortalität und Kosten senkt [6–9, 12, 14].

II Zweckbestimmung und Geltungsbereich

Diese Leitlinie dient der Qualitätssicherung der Arzneimittelinformation aus der Krankenhausapotheke. Sie legt basierend auf der „ADKA-Leitlinie für Leitlinien“ [15] und der Leitlinie der Bundesapothekerkammer „Arzneimittelinformation in Informationsstellen der Apothekerschaft“ [17] den Standard für Arzneimittelinformation aus Krankenhausapotheken fest. Sie gilt insbesondere für Arzneimittelinformationsabteilungen in Krankenhausapotheken, die Anfragen von Ärzten, Pflegekräften, Verwaltung, Patienten und weiteren Fragestellern beantworten. Der Arzneimittelinformationsservice der Krankenhausapotheke stellt einfach zugänglich unabhängige, evidenzbasierte und patientenindividuelle Informationen bereit. Daten aus der Literatur und klinisch-pharmazeutisches Fachwissen werden kombiniert, um Mitarbeitern des Gesundheitswesens und Patienten eine bessere Basis für komplexe klinische Entscheidungen zur Verfügung zu stellen, die über klinische Routinequellen oder Informationen aus dem Internet hinausgeht.

Diese Leitlinie ist eine Praxisleitlinie und basiert nicht streng auf den Kriterien der evidenzbasierten Leitlinienerstellung. Dies erfolgt aufgrund der Tatsache, dass keine Studien zur systematischen Durchführung der Arzneimittelinformation, sondern lediglich zu Teilaspekten verfügbar sind. Internationale Leitlinien zum Thema folgten der gleichen Vorgehensweise [3, 27, 30].

Ziel der Leitlinie ist es, Qualitätskriterien für die Arzneimittelinformation aus der Krankenhausapotheke zu definieren und Hilfestellungen für die Beschaffung, Bewertung, Weitergabe und Dokumentation von Informationen zu geben. Der Prozess der Arzneimittelinformation wird detailliert dargestellt und grundlegende Anforderungen an die Prozess- und Strukturqualität werden benannt, um eine möglichst hohe Ergebnisqualität sicherzustellen.

Diese Leitlinie ist Revision 1 der ersten Fassung von 2009 Sie trat am 14.03.2014 in Kraft.

Die Arzneimittelinformation aus der Krankenhausapotheke unterliegt ständiger Weiterentwicklung und wissenschaftlicher Evaluation. Daher ist die Leitlinie kontinuierlich dem Stand der Wissenschaft anzupassen. Eine nächste Aktualisierung ist für 2019 vorgesehen.

III Regulatorische Anforderungen

Laut §14 ApoG und §27 ApBetrO hat der Krankenhausapothekenleiter dafür zu sorgen, dass ein Krankenhausapotheker das Personal des Krankenhauses im Hinblick auf eine sichere, zweckmäßige und wirtschaftliche Arzneimitteltherapie und Anwendung der Arzneimittel oder apothekenpflichtigen Medizinprodukte sowie soweit erforderlich, Patienten, insbesondere im Zusammenhang mit ihrer Entlassung, im Hinblick auf eine sichere Arzneimittelanwendung, berät.

Nach §2a ApoBetrO muss der Apothekenleiter ein Qualitätsmanagementsystem entsprechend Art und Umfang der pharmazeutischen Tätigkeiten betreiben, das betriebliche Abläufe festlegt und dokumentiert. Das Qualitätsmanagementsystem muss unter anderem eine ausreichende Beratungsleistung gewährleisten. Tätigkeiten der Arzneimittelinformation sind dementsprechend im Qualitätsmanagementsystem zu verankern.

Die DIN EN 15224:2012 ist eine bereichsspezifische unabhängige Norm des Qualitätsmanagements im Gesundheitswesen, die auf der branchenunabhängigen ISO 9001:2008 beruht und als zukünftige Leitnorm angesehen wird. Unter den dort definierten 11 Qualitätsmerkmalen der Gesundheitsversorgung ist die qualitätsgesicherte Arzneimittelinformation insbesondere für die Punkte „evidenzbasierte/wissensbasierte Versorgung“ und „Patientensicherheit“ von Bedeutung.

Laut §28 ApoBetrO muss das für einen ordnungsgemäßen Betrieb der Krankenhausapotheke notwendige Personal, insbesondere auch das pharmazeutische Personal, in ausreichender Zahl vorhanden sein. Die personelle Ausstattung muss eine qualitätsgesicherte und termingerechte Arzneimittelinformation ermöglichen.

Qualifikation des Personals

Aufgrund der Komplexität des Aufgabengebiets und der Verantwortung für klinische Empfehlungen muss mindestens ein Apotheker mit Berufserfahrung im betreffenden Sachgebiet verantwortlich tätig sein. Die Leitung der Abteilung Arzneimittelinformation muss durch einen Fachapotheker für Klinische Pharmazie oder Fachapotheker für Arzneimittelinformation erfolgen. Alle Mitarbeiter müssen sich regelmäßig fortbilden. Die Fortbildung muss dokumentiert sein. Apotheker, die im Bereich Arzneimittelinformation tätig sind, sollten über Erfahrung in der Arbeit auf Station verfügen.

Grundsätzlich sollen die Erarbeitung und Weitergabe der Informationen Aufgabe des Apothekers sein. Der Apotheker kann im Rahmen der Recherche Teilaufgaben an weiteres pharmazeutisches Personal delegieren, muss aber selbst immer die letzte Kontrollinstanz vor der Weitergabe der Informationen an den Anfragenden sein. Er trägt für die Qualität und Richtigkeit der Informationen sowie für die ordnungsgemäße und rechtzeitige Weitergabe die Verantwortung. Im Rahmen des Qualitätsmanagementsystems sind Festlegungen zur Freigabe bearbeiteter Anfragen zu treffen.

IV Anfragebearbeitung in Krankenhausapotheken

Die Bearbeitung komplexer Anfragen der Arzneimittelinformation in der Krankenhausapotheke soll in einer systematischen Vorgehensweise erfolgen, um eine hohe Ergebnisqualität sicherzustellen. Diese Empfehlung basiert auf der in der Literatur beschriebenen praktischen Vorgehensweise und entspricht dem international etablierten und anerkannten Standard [1, 3, 10, 18, 19, 27, 30, 37, 39]. Die systematische Vorgehensweise ist im Qualitätsmanagementsystem festzulegen.

In der Literatur finden sich verschiedene systematische Vorgehensweisen, die sich in der genauen Unterteilung der Schritte aber nur geringfügig unterscheiden. Ein übliches Vorgehen umfasst die folgenden Schritte:

  • Anfragenaufnahme
  • Klassifikation der Anfrage
  • Recherche
  • Analyse und Bewertung der Daten
  • Weitergabe der Informationen
  • Dokumentation
  • Follow-up/Feedback

In Abbildung 1 ist die systematische Vorgehensweise der Arzneimittelinformation mit kurzen Erläuterungen dargestellt. Nachfolgend werden die einzelnen Schritte ausführlicher diskutiert.

Abb. 1. Systematische Vorgehensweise der Arzneimittelinformation

IV-1 Anfrage aufnehmen

Dieser Schritt umfasst die eindeutige Identifizierung des Fragestellers, die Aufnahme der Kontaktdaten, Klärung der Dringlichkeit der Anfrage, Definition der genauen Fragestellung und Erfassung aller relevanten Hintergrundinformationen.

IV-1.1. Fragesteller, Kontaktdaten und Dringlichkeit

Anfragen an die Arzneimittelinformation werden von sehr unterschiedlich informierten Personengruppen gestellt. Diese Tatsache ist bei der Recherchestrategie, der Art und Weise der Informationsweitergabe und der Formulierung der Antwort zu berücksichtigen. Fragesteller können Ärzte, Pflegepersonal, Apotheker oder sonstige Personengruppen sein. Durch Rückfragen sollte der genaue Kenntnisstand des Fragestellers zum Problem erfasst werden, da auch innerhalb einer Berufsgruppe Unterschiede im Vorwissen vorliegen. Dies schließt gegebenenfalls die Angabe der medizinischen Spezialisierung (z.B. Facharzt für …), des genauen Tätigkeitsfelds (z.B. Intensiv- oder Normalpflege) und bereits kontaktierter Recherchequellen mit ein.

Name und Kontaktdaten des Fragestellers müssen korrekt erfasst werden, um die Antwortübermittlung sicherzustellen und gegebenenfalls ein Follow-up durchführen zu können. In Rücksprache mit dem Fragesteller ist die Dringlichkeit zu klären. Zum vereinbarten Termin sollte der Fragesteller kontaktiert werden und das Ergebnis oder, sofern die Anfrage noch nicht abschließend beantwortet werden kann, das Zwischenergebnis mitgeteilt werden.

IV-1.2. Hintergrundinformationen erfassen

Die Erfassung von Hintergrundinformationen dient der genauen Fokussierung der Fragestellung und der Festlegung der Recherchestrategie. Dieser kritische Schritt stellt sicher, dass in der Beantwortung der Frage wirklich klinisch relevante Informationen bereitgestellt werden können [1, 18, 19, 39]. Wichtige Hintergrundinformationen sind u.a.:

  • Wozu wird die Information benötigt (z.B. Patient, Patientengruppe, hausinterne Leitlinie, eigene Weiterbildung)?
  • Welche (therapeutischen) Konsequenzen werden aus der Antwort gezogen?

Bei patientenbezogenen Fragen sind in Abhängigkeit von der genauen Fragestellung zu erfassen [1, 19, 37]:

  • Alter, Geschlecht, Gewicht
  • Spezifische medizinische Zustände wie Schwangerschaft, Stillzeit, Dialyse, Zustand nach Transplantation
  • Relevante Labordaten
  • Organfunktion (Leber, Niere)
  • Derzeitige Diagnosen und komplette Medikation, gegebenenfalls Allergien und Vormedikation
  • Lebensweise (Substanzabusus, Raucher, Allgemeinzustand, Ernährungszustand, soziales Umfeld)

Eine praxistaugliche Hilfe, welche Hintergrundinformationen bei welchem Themengebiet relevant sind, stellt der Quick Question Guide des UKMI (United Kingdom Medicines Information) dar, der auch als deutsche Übersetzung vorliegt [26].

Welche Hintergrundinformationen zu erfragen sind, muss fallbezogen entschieden werden. Es sollten nur die relevanten Informationen abgefragt werden. Häufig ändert oder erweitert sich durch die Hintergrundinformationen die initiale Fragestellung. Diese „wahre Frage“ sollte zum Abschluss des Gesprächs zusammenfassend dem Fragesteller wiederholt werden, um eine effiziente Suche klinisch relevanter Daten sicherzustellen.

IV-2 Klassifikation der Anfrage

Die Klassifikation der Anfrage dient als Grundlage der strukturierten Recherche und der statistischen Auswertung. Die Zuordnung zu einem Themengebiet ermöglicht eine rasche Suche in den thematisch relevanten Quellen [39]. Tabelle 1 zeigt wichtige Themengebiete mit einer exemplarischen Auswahl von Print- und Online-Quellen.

Tab. 1. Wichtige Themengebiete der Arzneimittelinformation und Beispiele für Recherchequellen. Als Recherchequellen sind Beispiele aufgeführt, es handelt sich überwiegend um Tertiärliteratur. Wie im Text beschrieben, ist bei nicht ausreichendem Ergebnis in Quellen der Sekundär- und Primärliteratur weiterzusuchen.

Themengebiet

Beispiele Recherchequellen

Applikationstechnik

Parenteral

Fachinformation

Ege et al.: Päd i.v.

Trissel: Handbook on Injectable Drugs

Injectable Medicines Guide

Gabe über Ernährungssonde

Fachinformation

www.pharmatrix.de

White, Bradnam: Handbook of drug administration via enteral feeding tubes

Arzneimittelauswahl

Allgemein

Therapieleitlinien, z.B. www.awmf.org

Drugdex/Diseasedex

UpToDate

Aktuelle (!) Fachbücher

Bsp. Antiinfektiva

Stille: Antibiotika-Therapie

Gilbert: The Sandford Guide to antimicrobial therapy

Thalhammer: Kompendium der antimikrobiellen Therapie

Abele-Horn: Antimikrobielle Therapie

Bsp. Onkologie

Schmoll: Kompendium Internistische Onkologie

Berger: Das Rote Buch: Hämatologie und Internistische Onkologie

Ausländische Arzneimittel, Verfügbarkeit, Zulassung

ABDA-Datenbank

Drugdex

Auskunft der Importeure ausländischer Arzneimittel

Internetseiten internationaler Zulassungsbehörden

Internationale Internetseiten des Herstellers

Dosierung

Bei Kindern

Fachinformation

Taketomo: Pedatric Dosage Handbook

BNF for children

Drugdex

AHFS

Bei Niereninsuffizienz

Fachinformation

Ashley: The Renal Drug Handbook

Aronoff: Drug Prescribing in Renal Failure: Dosing Guidelines for Adults and Children

AHFS

BNF

Drugdex

Dosing (www.dosing.de)

Bei Leberinsuffizienz

Fachinformation

North-Lewis: Drugs and the Liver – A Guide to Drug Handling in Liver Dysfunction

AHFS

BNF

Drugdex

Ernährung

Deutsche Gesellschaft für Ernährung (www.dge.de)

Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (www.dgem.de)

European Society for parenteral and enteral nutrition (www.espen.org)

Galenik

NRF, NRF online (www.dac-nrf.de)

Hagers Handbuch der Pharmazeutischen Praxis

Martindale: The Complete Drug Reference

DAB, EAB

Haltbarkeit/Stabilität

Fachinformation

Trissel: Handbook on Injectable Drugs

Injectable Medicines Guide

Auskunft der Med.-Wiss. Abteilung der pharmazeutischen Hersteller

Interaktion

Fachinformation

Stockley: Stockley‘s Drug Interactions

www.mediq.ch

ABDA-Datenbank

Lexi-Interact

Kompatibilität

Fachinformation

Trissel: Handbook on Injectable Drugs

Injectable Medicines Guide

Auskunft der Med.-Wiss. Abteilung der pharmazeutischen Hersteller

Kontraindikationen

Fachinformation

Drugdex

BNF

AHFS

Nebenwirkungen

Fachinformation

Drugdex

AHFS

BNF

UpToDate

Auskunft der Med.-Wiss. Abteilung der pharmazeutischen Hersteller

Pharmakokinetik

Fachinformation

Drugdex

BNF

AHFS

ABDA-Datenbank

Murphy: Clinical Pharmacokinetics

Pharmakologie

Fachinformation

ABDA-Datenbank

Drugdex

AHFS

BNF

Pharmakologie-Lehrbücher

Pharmakoökonomie/Kosten

Warenwirtschaftssystem

ABDATA Pharma-Daten-Service

Benchmark-Daten

Schwangerschaft/Stillzeit

Fachinformation

Briggs, Freeman: Drugs in Pregnancy and Lactation

Schäfer et al: Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit

AHFS

BNF

Drugdex

Kleinebrecht: Arzneimittel in der Schwangerschaft und Stillzeit

www.embryotox.de

www.reprotox.de

Toxikologie

Fachinformation

Poisindex

Auskunft der Vergiftungszentren (über www.vergiftungszentrale.de/vergz.html)

AHFS: American Hospital Formulary Service Book; BNF: British National Formulary; BNF for Children: British National Formulary for Children; DAB: Deutsches Arzneibuch; Drugdex: Volltextdatenbanken von Micromedex; EAB: Europäisches Arzneibuch; Fachinformation: über www.fachinfo.de; Injectable Medicines Guide: über www.injguide.nhs.uk; Lexi-Interact: Interaktionsdatenbank von Wolters Kluwer Health; NRF: Neues Rezepturformularium; Poisindex: Vergiftungsdatenbank von Micromedex; UptoDate: Faktendatenbank von Wolters Kluwer Health

IV-3 Recherche

Der für den Bereich Arzneimittelinformation verantwortliche Apotheker muss sicherstellen, dass für verschiedene Themengebiete geeignete und ausreichende Quellen der Primär-, Sekundär- und Tertiärliteratur verfügbar sind. Bei der Beschaffung und Nutzung der Quellen müssen die Besonderheiten hinsichtlich Aktualität, Abstraktionsgrad, Breite der Informationen und sichere Verfügbarkeit berücksichtigt werden. Die Nutzung wesentlicher Literatur- und Faktendatenbanken sollte sichergestellt sein. Ein Zugang zum Internet muss bestehen. Der verantwortliche Apotheker hat dafür zu sorgen, dass die verfügbaren Quellen dem jeweils aktuellen Stand der Wissenschaft entsprechen. Es sollte in Anlehnung an Tabelle 1 ein apothekeninterner Leitfaden mit Recherchequellen für die einzelnen Anfragethemen erstellt werden. Als weitere Hilfe können die „Enquiry Answering Guidelines“ des UKMI (UK Medicines Information) hinzugezogen werden [31].

Prinzipiell ist der aktuellste Stand der Wissenschaft zu recherchieren und weiterzugeben. Im Sinne der evidenzbasierten Medizin ist die beste verfügbare Evidenz für die spezifische Fragestellung zu eruieren. Dabei ist die Tiefe der Recherche, ob z.B. die Originalpublikationen aufzusuchen sind oder Angaben aus der Tertiärliteratur ausreichen, der genauen Fragestellung und dem Adressaten anzupassen.

Bei der Recherche in der Tertiärliteratur sind mindestens zwei unabhängige Quellen heranzuziehen. Studien zeigen deutliche Unterschiede bis hin zu widersprüchlichen Angaben in üblichen Tertiärquellen [32–35].

Sofern dies relevant ist, sind die Fachinformationen der betroffenen Präparate heranzuziehen und ihre Angaben als Mindeststand des Wissens aus rechtlicher Sicht zu berücksichtigen. Dabei ist zu beachten, dass Fachinformationen teilweise unterschiedlich vollständig hinsichtlich einzelner Angaben sind. Zum Beispiel werden unterschiedliche Aussagen zu Wechselwirkungen in den Fachinformationen zweier potenzieller Interaktionspartner aufgeführt. Fachinformationen verschiedener Präparate eines Wirkstoffs führen divergierende Angaben auf, z.B. zu Kontraindikationen und Maßnahmen bei Vergiftungen [5, 21, 25, 36]. Bei der Nutzung des Internets ist die Validität der kontaktierten Quellen zu bedenken. Die divergierende Qualität und Verlässlichkeit der Angaben auf institutionellen, kommerziellen und sonstigen Seiten [11] muss angemessen berücksichtigt werden.

Wird auf Primärliteratur zurückgegriffen, sollte nach Möglichkeit der Volltext verwendet werden, da Abstracts oft vom Volltext abweichende, teilweise positivere Angaben enthalten [2, 22].

IV-4 Analyse und Bewertung der Daten

Die bei der Recherche gesammelten Informationen sind zusammenzuführen, zu beurteilen und zu interpretieren. Die Informationen sind im Hinblick auf Vollständigkeit, praxisnahe Beantwortung der Frage und Aktualität zu bewerten. Die kritische Evaluation muss auch die Validität der Datenquellen berücksichtigen, z.B. Aktualität, thematischer Fokus der Quelle, Fachkompetenz der Autoren, Angabe von Referenzen und mögliche Bias [1]. Wurde nach Primärliteratur zur Fragestellung gesucht, ist kritisch zu hinterfragen, ob die richtigen Sekundärquellen zum Auffinden genutzt und die optimale Suchtechnik verwendet wurde [1, 19].

Die Gewichtung der Rechercheergebnisse und die daraus resultierenden Interpretationen sollen nach evidenzbasierten Kriterien erfolgen (Tab. 2). Analog hierzu können Rechercheergebnisse zu galenischen Fragestellungen nach den in Tabelle 3 genannten Kriterien bewertet werden.

Tab. 2. Evidenzstufen [17]

Ia

Evidenz aufgrund von Metaanalysen randomisierter, kontrollierter Studien

Ib

Evidenz aufgrund mindestens einer randomisierten, kontrollierten Studie

IIa

Evidenz aufgrund mindestens einer gut angelegten, kontrollierten Studie ohne Randomisierung

IIb

Evidenz aufgrund einer gut angelegten, quasi-experimentellen Studie

III

Evidenz aufgrund gut angelegter, nicht-experimenteller deskriptiver Studien, z.B. Vergleichs-, Korrelations-, Fall-Kontroll-Studien

IV

Evidenz aufgrund von Berichten/Meinungen von Expertenkreisen, Konsensuskonferenzen und/oder klinischer Erfahrungen anerkannter Autoritäten

Tab. 3. Einstufung galenischer Anfragen analog Evidenzkriterien [17]

0

Nicht bewertet

1

Entspricht dem Stand der Wissenschaft, gut dokumentiert

2

Aus pharmakologischer und galenischer Sicht plausibel, aber Dokumentation lückenhaft

3

Aus pharmakologischer und/oder galenischer Sicht nicht unproblematisch

4

Aus pharmakologischer und/oder galenischer Sicht problematisch oder obsolet; entspricht nicht dem Stand der Wissenschaft

5

Aus pharmakologischer und/oder galenischer Sicht problematisch oder obsolet; bedenklich nach §5 AMG

Die klinische Relevanz der Rechercheergebnisse soll dargestellt werden, damit der Fragesteller die Daten besser einordnen und klinisch nutzen kann. Studien haben gezeigt, dass z.B. Ergebnisse eines Interaktionstests besser klinisch umgesetzt werden, wenn sie nach Schweregrad klassifiziert wurden [20]. Auch das europaweit definierte Vokabular zur Häufigkeit von unerwünschten Arzneimittelnebenwirkungen ist Ärzten nicht allgemein vertraut, die Angaben sollten zusätzlich als Zahl erfolgen [40].

IV-5 Weitergabe der Informationen

Die Beantwortung der Frage muss objektiv, ausgewogen und unabhängig von Interessen Dritter erfolgen. Die Informationen sollen logisch und klar verständlich dargestellt werden. Widersprüchliche Daten müssen korrekt präsentiert werde. Gibt es zu den angefragten Sachverhalten keine Daten oder ist die Anfrage unter Ausschöpfung aller Quellen nicht oder nicht eindeutig zu beantworten, so muss dies dokumentiert und bei der Weitergabe an den Anfragenden dargestellt werden. Die Formulierung eines Fazits ist anzustreben.

Antworten auf Anfragen müssen zum vereinbarten Zeitpunkt (ggf. Vorabinformation), dem Kenntnisstand des Fragestellers entsprechend formuliert und auf dem vereinbarten Weg (z.B. Telefon, Fax, E-Mail) erfolgen. Die Anfrage soll grundsätzlich schriftlich beantwortet werden. Abhängig von der Dringlichkeit und dem Bedarf des Fragestellers kann die Anfrage auch vorab persönlich oder telefonisch beantwortet werden. Es ist im Rahmen des Qualitätsmanagementsystems empfehlenswert, dem Anfragenden die Möglichkeit eines Feedbacks zu geben und ein internes Fehlerprotokoll zu führen und Fehlermanagement zu etablieren.

IV-6 Dokumentation

Die Dokumentation der Anfragen erfolgt aus rechtlichen Gründen, zur schnellen Bearbeitung von Rückfragen, als Datenbasis für spätere Anfragen und zur Darstellung erbrachter klinischer Leistungen [39]. Dokumentiert werden sollten mindestens Fragesteller mit Kontaktdaten, Frage, Antwort und Rechercheweg. Empfehlenswert ist zudem die Erfassung des Zeitaufwands und des Themengebiets für spätere Auswertungen.

Optimal ist eine EDV-gestützte Dokumentation, z.B. mit der Arzneimittel-Info-Datenbank der ADKA. Falls dies nicht möglich ist, können andere Dokumentationssysteme genutzt werden, die einen schnellen und eindeutigen Zugriff auf die beantworteten Fragen ermöglichen.

IV-7 Follow-up

Das Follow-up umfasst zum einen die unmittelbare Rückmeldung auf die Beantwortung einer Frage. Es ist zu klären, inwiefern die Antwort für die Fragestellung inhaltlich passend und ausreichend war. Zusätzliche, neue Fragen sollen identifiziert und gegebenenfalls aufgenommen werden. Das Follow-up bietet zum anderen die Möglichkeit zu lernen, wie Antworten in die Praxis umgesetzt werden und zu welchem klinischen Ergebnis sie führen.

IV-8 Maßnahmen zur Qualitätssicherung

Neben den in dieser Leitlinie aufgeführten Schritten zur Qualitätssicherung, können weitere Maßnahmen zur Sicherung und ständigen Verbesserung der erbrachten Leistungen durchgeführt werden. Empfohlen wird das sogenannte „Vier-Augen-Prinzip“, nach dem jede Antwort vor Weitergabe an den Fragesteller durch einen erfahrenen Apotheker inhaltlich und formal gegengelesen wird. Bei mündlichen (Vorab-)Informationen kann dies durch mündliche Rücksprache erfolgen.

Weitere Maßnahmen können sein [4, 13, 24, 28, 29]:

  • Exemplarische Prüfung einzelner Anfragen
  • Teilnahme an Ringversuchen
  • Teilnahme an überregionalen Qualitätszirkeln
  • Evaluation/Kundenbefragung

Die Durchführung einer Evaluation/Kundenbefragung dient der Ermittlung der Zufriedenheit des Fragestellers mit dem Arzneimittelinformationsservice. Es empfiehlt sich die Verwendung eines Fragebogens, der per E-Mail, Fax oder Brief zurückgesandt werden kann. In Anhang 1 ist eine Beispielvorlage dargestellt. Erfolgt in Ausnahmefällen die Antwort in mündlicher Form, sollte durch gezielte Nachfrage die Zufriedenheit des Fragestellers bezüglich Art und Umfang der Auskunft ermittelt werden. Das Ergebnis ist auf einem Fragebogen zu dokumentieren. Der Fragebogen sollte zur Abschätzung der Kundenzufriedenheit mindestens erfragen:

  • Qualität der Antwort
  • Angemessener Umfang der Antwort
  • Termingerechte Beantwortung
  • Umsetzbarkeit in die Praxis

Im Falle von Negativbeurteilungen sollte ein Maßnahmenplan die weitere Vorgehensweise festlegen.

V Verabschiedung

Die Leitlinie wurde durch den Vorstand der ADKA am 14.03.2014 verabschiedet.

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Für die Expertengruppe: Dr. Cornelia Vetter-Kerkhoff (Vorsitzende), Apotheke des Klinikums der Universität München, Marchioninistr. 15, 81377 München, E-Mail: cornelia.vetter@med. uni-muenchen.de

Krankenhauspharmazie 2014; 35(06)