Klaus Tönne, Berlin Geschäftsführer der ADKA
Es können einem schon ganz komische Gedanken kommen – da werden aus italienischen Kliniken, aber auch aus deutschen Logistik-Lagern Medikamente gestohlen, da werden leere Packungen aus dem Müll von Apotheken herausgelesen und für die Fälschung von Medikamenten verwendet – die Phantasie reicht kaum aus, sich vorzustellen, was wohl noch so alles kommen mag.
Und da soll keiner sagen, dass das nicht vorhersehbar gewesen sei. Seit fast zwanzig Jahren weist unser Verband immer wieder darauf hin, welche Gefahren im „grauen Markt“ für Arzneimittel liegen und gelegen haben. Und zwar nicht nur im Sinne einer (legalen?) wirtschaftlich-konkurrierenden Vertriebsschiene für Arzneimittel zwischen Krankenhausapotheke und krankenhausversorgender öffentlicher Apotheke, sondern inzwischen eben auch als konkrete Gefahr für Leib und Leben des Patienten, der im Zweifel unterdosierte oder Wirkstoff-freie oder gar toxische „Arzneimittel“ erhält, nachdem nun wohl auch mafiose Strukturen das lukrative Geschäft mit gefälschten und vor allem mit teuren Krebs-Arzneimitteln im großen Stil für sich entdeckt haben.
Immer wieder haben wir unsere Standesvertretung genauso wie die Politik darauf hingewiesen, dass die Vertriebswege für Arzneimittel nicht der Beliebigkeit eines freien Warenmarkts unterliegen dürfen, sondern dass nur der Vertrieb vom Hersteller direkt an die Apotheke oder direkt an den Großhandel (GH) zulässig sein darf. Alle anderen Wege – egal ob (Re-)Import, Apotheke an GH oder Apotheke, GH an GH oder was sonst auch immer, gehören europaweit verboten.
Dies hat man uns von (interessierter?) Seite immer wieder als weltfremd und mit europäischen Marktgesetzen unvereinbar auszureden versucht. Offensichtlich muss also auch hier erst wieder Schlimmes geschehen, bevor der Gesetzgeber erkennt, dass Arzneimittel Daseinsvorsorge bedeuten und eben keine Inbusschrauben oder Gummibärchen sind, die man getrost den Gesetzen des freien Marktes überlassen kann.
Die Geheimniskrämerei, die von den ermittelnden Behörden in den letzten Monaten um das wahre Ausmaß des Skandals um gestohlene und gefälschte/manipulierte Arzneimittel betrieben wird, lässt einen Ungutes ahnen. Es wird höchste Zeit, dass der Gesetzgeber hier zu klaren Regelungen findet, und das bitte tunlichst auf europäischer Ebene. Nur dann gibt es eine Chance, diesen Sumpf trocken zu legen und damit gleichzeitig auch den grauen Markt zu eliminieren.
Die meisten Krankenhausapotheken verzichten schon lange auf Reimporte und ähnliche Vertriebsformen, da sie das darin liegende Risiko erkannt haben. Auch die Krankenkassen sollten begreifen, dass sie mit ihrem Insistieren auf eine „Reimportquote“ bei den öffentlichen Apotheken die beschriebene Fehlentwicklung wirksam gefördert haben. Sie sollten schnellstens darauf verzichten!
Klaus Tönne, ADKA-Geschäftsführer [Foto: privat]
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