Ximelagatran (Exanta) auf dem deutschen Markt zugelassen, von der FDA abgewiesen


Prof. Dr. med. Bernd Reith, Konstanz

Diese Rubrik steht allen Lesern offen. Sachlich berechtigte Kürzungen bleiben vorbehalten, um möglichst vielen Gelegenheit zu geben, zu Wort zu kommen. Eine Eingangsbestätigung kann in der Regel nicht gegeben werden. Die Redaktion identifiziert sich grundsätzlich nicht mit dem Inhalt der Zuschriften, sondern stellt sie zur Diskussion.

Im Juni des Jahres 2004 wurde der Thrombinhemmer Melagatran/Ximelagatran (Exanta) auf dem deutschen Markt zugelassen (siehe Krankenhauspharmazie 2004;25:303–15). Seit Einführung der Cumarine in den Handel ist dies die erste weitere orale antikoagulatorische Substanz. Die Zulassung der Substanz wurde für den deutschen Markt ausschließlich auf die kurzzeitige postoperative Thromboembolieprophylaxe nach elektivem Hüft- oder Kniegelenkersatz zugelassen. 

Im Gegensatz dazu hat die amerikanische Food and Drug Adminstration (FDA) gerade die Zulassung der drei beantragten Indikationen postoperative Thromboembolieprophylaxe nach Kniegelenkersatz, Sekundärprophylaxe nach tiefer Beinvenenthrombose sowie Prävention des Schlaganfalls bei Vorhofflimmern nicht zugelassen. 

Es stellt sich hier die Frage, warum eine europäische oder deutsche Zulassungsbehörde hier einen Markt freigibt, während andere große Zulassungsbehörden bei gleicher Datenlage diese Indikation nicht sehen.

Zur Ablehnung der FDA sind folgende Punkte kurz zusammenzufassen. 

In Bezug auf den orthopädischen Kniegelenkersatz äußerten die Experten der FDA Bedenken hinsichtlich des Risikos für Myokardinfarkte und die aufgetretene Lebertoxizität von Ximelagatran, wenn dieses über die in den Studien verabreichte Dauer hinaus eingesetzt würde. Da die allgemeinen Empfehlungen in den USA im Sinne einer Leitlinie besagen, dass eine Thromboembolieprophylaxe etwa 30 Tage durchgeführt werden sollte, wird dieses auch bei Anwendung des neuen Produkts mit Sicherheit stattfinden. Für diesen Zeitraum sind jedoch bisher keine genügenden Verträglichkeitsdaten vorhanden oder zumindest nicht publiziert. Die Empfehlung der FDA lautete, Studien mit 30-tägiger Therapiedauer und Follow-up nach 3 Monaten auszuführen. Die hierfür angeführte Studie, die auch zur Zulassung des Präparats auf dem deutschen Markt geführt hat, ist die so genannte METHRO-III-Studie (Melagatran thrombosis prophylaxis in orthopedic surgery). In dieser doppelblinden Studie wurde gegen das niedermolekulare Heparin Enoxaparin an 2 788 Patienten, die durchschnittlich 66 Jahre alt waren, nach elektivem Hüft- oder Kniegelenkersatz verglichen. Die Studie war randomisiert. Es wurde entweder 4 bis 12 h postoperativ mit Melagatran subkutan und anschließend, wenn die orale Einnahme möglich war, zweimal täglich 24 mg Ximelagatran per os oder einmal täglich 40 mg Enoxaparin (12 h vor der Operation beginnend) für jeweils 8 bis 11 Tage gegeben. Primärer Endpunkt der auf Überlegenheit von Ximelagatran angelegten Studie war die Rate venöser Thromboembolien einschließlich tödlicher oder nicht tödlicher Lungenembolien sowie ungeklärter Todesfälle. Die Suche nach tiefen Venenthrombosen wurde durch systematische phlebographische Screening-Untersuchungen durchgeführt. 

Die Ergebnisse dieser Studie waren kurz zusammengefasst wie folgt:

Der Überlegenheitsnachweis wurde verfehlt. Die angesprochenen Raten lagen unter Ximelagatran bei 31 % im Vergleich zu 27,3 % unter Enoxaparin. Damit ergab sich ein klarer Trend zugunsten des niedermolekularen Heparins. Proximale Thrombosen und symptomatische thromboembolische Ereignisse unterschieden sich in beiden Gruppen nicht. Auch bei schweren Blutungen ergab sich kein Unterschied. Von 8 Todesfällen im Nachbeobachtungszeitraum bis zu 6 Wochen ereigneten sich 7 im Ximelagatran-Arm. Die nachher durchgeführte Analyse der Rate venöser Thromboembolien ergab, dass die besten Ergebnisse erzielt wurden, wenn das Zeitfenster für die erste Melagatran-Gabe nicht später als 8 h nach der Operation lag. Dieses nachträglich ermittelte Zeitfenster wird aktuell in der Fachinformation vorgeschrieben. 

Zur Sekundärprophylaxe nach tiefer Venenthrombose kam von Seiten der FDA der Hinweis, dass das Risiko für Lebertoxizität unakzeptabel hoch war. Ein Vergleich mit Plazebo hatte keinen adäquaten Nutzen in dieser Indikation gezeigt. Es wird von der FDA empfohlen, weitere Studien im Vergleich zum Beispiel zu Warfarin, auf dem amerikanischen Markt üblich, oder entsprechenden auf dem europäischen Markt üblichen Vergleichspräparaten durchzuführen. Bei der beantragten Indikation „Prävention des Schlaganfalls bei Vorhofflimmern“ war die Aussage der Experten der FDA, dass in der hier angeführten SPORTIF-V-Studie die geforderte Nichtunterlegenheit nicht gezeigt werden konnte. Tendenziell schneidet in der SPORTIF-V-Studie das verwendete Vergleichspräparat Warfarin hier doch etwas besser ab. Hier sind weitere Studien mit härteren Kriterien gefordert, um die Nichtunterlegenheit nachzuweisen. 

Abschließend soll noch erwähnt werden, dass die Frage des präoperativen Beginns der Prophylaxe mit Melagatran ja ebenfalls in einer Phase-III-Studie an 2 835 Patienten geprüft wurde. Die Ergebnisse im Vergleich zu Enoxaparin waren, dass im phlebographischen Screening weniger Thrombosen entdeckt wurden. Die Häufigkeit symptomatischer venöser Thromboembolien unterschied sich aber mit 0,6 versus 0,9 % nicht. Allerdings nahmen schwere Blutungen zu, sie traten bei 3,3 % in der Melagatran-Gruppe versus 1,2 % in der Enoxaparin-Gruppe auf. Dieser Unterschied war signifikant. Diese Indikation ist aber ausdrücklich auf dem deutschen Markt nicht zugelassen. 

Die grundsätzliche Entwicklung eines weiteren oralen Thrombininhibitors ist mit Sicherheit eine wünschenswerte Entwicklung. Es bleibt zu hoffen, dass der Markt durch die Weiterentwicklung dieser Produkte auch Alternativen zu den Cumarinen in Zukunft erhalten wird. Weitere Studien sind daher unbedingt zu fordern. Allerdings muss festgestellt werden, dass die Studienlage derzeit für die Zulassung von Melagatran/Ximelagatran ausgesprochen dünn ist. Die Entscheidung der FDA ist eindeutig nachzuvollziehen. Insofern ist die Frage noch einmal zu stellen, warum ausgerechnet auf dem deutschen Markt eine solche Zulassung erfolgt ist. Es muss sich jeder selbst die Frage beantworten, was es für Deutschland bedeutet, wenn die Substanz mit noch nicht ausreichend gesicherten Studiendaten zugelassen ist, gleichzeitig aber die FDA die Zulassung verweigert hat.

Prof. Dr. med. Bernd Reith, Klinik für Visceral-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Luisenstraße 7, 78464 Konstanz



Liebe Leserin, lieber Leser, dieser Artikel ist nur für Abonnenten der KPH zugänglich.

Sie haben noch keine Zugangsdaten, sind aber KPH-Abonnent?

Registrieren Sie sich jetzt:
Nach erfolgreicher Registrierung können Sie sich mit Ihrer E-Mail Adresse und Ihrem gewählten Passwort anmelden.

Jetzt registrieren