Die Nähe der Krankenhausapotheke ist nicht entscheidend?


Ein Affront gegen die Krankenhausapotheker und Krankenhauspatienten

Prof. Dr. Irene Krämer, Präsidentin des Bundesverbandes Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) e.V.

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster vom Mai diesen Jahres zu einem Krankenhausversorgungsvertrag über 200 Kilometer Distanz kann der Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) e.V. nur als Fehlurteil bezeichnen, und die Revision beim Bundesverwaltungsgericht muss man befördern. Seit vielen Jahren setzt sich die ADKA für die zeit- und ortsnahe Arzneimittelversorgung und pharmazeutische Betreuung der Krankenhauspatienten ein. Das Urteil ist ein Affront gegen alle Krankenhausapotheker, die täglich mit großem Engagement, Können und Wissen zur Sicherheit der Arzneimitteltherapie der Patienten beitragen. Die Ignoranz des Urteils und seiner Begründung wird nur noch von der Ignoranz der Klägerin überboten. Warum legt ein Krankenhausträger so wenig Wert auf eine orts- und zeitnahe pharmazeutische Versorgung und die sichere Arzneimitteltherapie seiner Patienten? Ist die Kommerzialisierung der Krankenhausversorgung so weit fortgeschritten, oder ist das Management der Krankenhäuser so schlecht?

Bei dem Urteil handelt es sich um eine eklatante Missachtung der gültigen Rechtslage und der Leitlinien zur Arzneimittelversorgung der Krankenhauspatienten. Leitlinien gelten als Stand des Wissens und der Technik und es bedarf guter Gründe, davon abzuweichen. Anstatt dazu beizutragen, die Qualität der Arzneimittelversorgung zu verbessern, fällt das Gericht noch hinter die „Good Pharmacy Practice“ zurück. Im europäischen Vergleich ist diese in Deutschland ohnehin schon defizitär. In anderen europäischen Ländern würde man sich nicht darüber streiten, wie weit die Krankenhausapotheke entfernt sein darf, sondern ob eine eigene Krankenhausapotheke einzurichten ist. Patienten in deutschen Krankenhäusern sind bei ihrer Arzneimittelversorgung bereits schlechter gestellt als Patienten in anderen europäischen Ländern und werden durch solche Urteile noch stärker benachteiligt.

Wenn die Urteilsbegründung besagt, dass die gesetzlich vorgesehene, persönliche Beratung durch den Krankenhausapotheker nicht dessen körperlicher Anwesenheit bedarf, kann das auch daran liegen, dass derzeit viele Krankenhausapotheken nur wenige Krankenhausapotheker haben und solche Urteile dazu beitragen, dass es noch weniger werden. Hier wird ein Defizit manifestiert, statt es als Defizit zu erkennen. Die Richter haben noch nicht gelernt, dass auch in Deutschland Krankenhausapotheker auf den Stationen arbeiten, dass sie an Visiten teilnehmen, ein Verordnungsmonitoring vornehmen, bei der Aufnahme ins Krankenhaus eine Arzneimittelanamnese durchführen sowie dem Patienten die Entlassungsmedikation aushändigen und ihn dazu beraten. Sie haben noch nicht gelernt, dass die pharmazeutischen Dienstleistungen das Therapieergebnis verbessern. Dem ADKA-Zielepapier 2011 hätten sie all das entnehmen können.

Die Anwesenheit und das persönliche Gespräch werden anderenorts jedenfalls anders eingeschätzt. Kürzlich betonte Prof. Dr. Otmar D. Wiestler, Vorstandsvorsitzender des DKFZ Heidelberg, dass die Wissenschaft von der Nähe zum Patienten profitiere und es von großem Vorteil sei, dass jetzt in einem neuen Gebäude Wissenschaftler des DKFZ Heidelberg und Ärzte des Universitätsklinikums Heidelberg gemeinsam forschen und Patienten behandeln. Die „Walking Distance“ sei für die Zusammenarbeit immens wichtig und das persönliche Gespräch nicht ersetzbar. Wenn es die Mediziner für die Forschung und Entwicklung für erforderlich und sinnvoll erachten, dass die Partner unter einem Dach wohnen und die Zusammenarbeit pflegen, dann muss das für die Arzneimittelversorgung und klinisch-pharmazeutische Betreuung auch gelten. Weder die Identifizierung mit gemeinsamen Zielen noch eine qualitativ gute Arzneimittelversorgung kann ohne Nähe und das persönliche Gespräch realisiert werden.

Im Übrigen werden das Prinzip der Nähe und des persönlichen Austauschs auch für Gerichte als essenziell erachtet. Gegen die Auflösung des Oberlandesgerichts Koblenz wird die fehlende Bürger- und Justiznähe angeführt. In diesem Zusammenhang war in der Tagespresse zu lesen: „Vor allem die Arbeit der Generalstaatsanwaltschaft vollzieht sich in vielfältiger Weise – auch im persönlichen Austausch mit den ihr nachgeordneten Staatsanwaltschaften, der vom Standort Koblenz aus gerade mit den drei größten Staatsanwaltschaften des Landes sehr gut gewährleistet ist. Die von Politikern geforderte Bürgernähe der Justiz mit kurzen Wegen für die Betroffenen und schnellstmöglicher Erledigung der Verfahren wird damit konterkariert.“ Das sehen wir als Krankenhausapotheker bezüglich des Urteils des Oberverwaltungsgerichts genauso.

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