Krankenhauspharmazie in Europa – Deutschland darf nicht Schlusslicht bleiben


Dr. Roberto Frontini, Präsident der European Association of Hospital Pharmacists (EAHP)

Dr. Roberto Frontini, Präsident der European Association of Hospital Pharmacists (EAHP)

Europa ist Vielfalt, Europa steht aber auch für gemeinsame Ziele. Betrachtet man die deutsche Krankenhauspharmazie im europäischen Kontext, wird schnell klar, dass die moderne Krankenhauspharmazie in Deutschland immer noch um die ihr gebührende Anerkennung zu kämpfen hat. Deutschland ist mit 0,38 Krankenhausapothekern pro 100 Krankenhausbetten Schlusslicht in Europa, wo Spitzenländer aus Ost und West im Vergleich fast zwei Apotheker vorweisen können. Nur 22% der Krankenhäuser in Deutschland haben eine eigene Krankenhausapotheke. Auch hier ist Deutschland Schlusslicht in Europa. Viele Länder haben heute in 90 bis 100% ihrer Krankenhäuser eine eigene Apotheke. Sicherlich liegt das nicht an einer zu geringen Kompetenz oder Bereitschaft der deutschen Krankenhausapotheker, sich für das Wohl der Patienten einzusetzen. Es gibt ausreichend Beweise aus vielen zum Teil auch in Deutschland durchgeführten Studien, dass Apotheker als Arzneimittelexperten bezüglich Patientensicherheit und Effektivität bessere Ergebnisse in interdisziplinären Teams erzielen als andere dort vertretene Berufsgruppen. In vielen europäischen Ländern spielen Krankenhausapotheker daher eine immer wichtigere Rolle, und die Zahl der Kollegen nimmt dort zu.

Verglichen mit der geschichtlichen Entwicklung anderer europäischer Länder, beispielsweise Großbritannien oder den Niederlanden, in denen Krankenhausapotheker heute die ihnen gebührende Rolle innehaben, scheint es, dass hierzulande eine Tradition des Dialogs und der gegenseitigen Anerkennung der Berufsgruppen gefehlt hat und bis heute noch nicht ausreichend entwickelt ist. Die Tradition der puren Vertretung eigener Interessen und Verteidigung von Pfründen ist kontraproduktiv. Sie ist nicht im Interesse der Patienten und muss daher dringend überdacht werden. Apotheker – sowohl im Krankenhaus als auch im niedergelassenen Bereich –, Ärzte, Pflege und Verwaltung müssen ihre Funktion im Dienst der Patienten verstehen, statt Traditionen zu verteidigen.

Es ist primäre Aufgabe der Politiker, allen Beteiligten im Gesundheitswesens durch gesetzliche Rahmenbedingungen die Rolle zu geben, die aufgrund ihrer Ausbildung den Patienten am meisten nutzt. Sie dürfen nicht dem Druck mächtiger Gruppen nachgeben. Pharmazeuten sind im Krankenhaus die Garanten einer effektiven, sicheren und wirtschaftlichen Arzneimitteltherapie und müssen in dieser Funktion gestärkt werden. Die Beispiele aus vielen europäischen Ländern sind mehr als überzeugend.

Die klinische Pharmazie darf nicht nur ein Schattendasein führen, wie es momentan in vielen Krankenhäusern Deutschlands Realität ist, sondern sie muss flächendeckend implementiert und auch personell abgebildet werden. Die patientenindividuelle Herstellung muss patientennah bleiben und darf nicht einem falschen ökonomischen Druck weichen. Die Politik muss auch Sorge dafür tragen, dass die Ausbildung der Apotheker patientenorientierter wird, damit zukünftige Generationen bereits in Studium und Weiterbildung zum Fachapotheker die Kompetenzen erlernen, die sich aus den Baseler Statements zur Krankenhauspharmazie der International Pharmaceutical Federation (FIP) [1] und den daraus abgeleiteten Forderungen der EAHP [2] ergeben.

Die ADKA ist mit ihren 100 Jahren eine alte Vereinigung, aber sie hat mit ihren Initiativen zur Patientensicherheit, mit dem Engagement für die klinische Pharmazie, mit ihrer Initiative zur Dokumentation der pharmazeutischen Interventionen – um nur einige Beispiele zu nennen – viele Bäume gepflanzt, unter deren Schatten die jüngeren Kollegen sich zwar nicht ausruhen, aber in der Erfüllung unseres schönen Berufes geborgen fühlen werden. Eine alte griechische Weisheit sagt: „Eine Gesellschaft erblüht nur, wenn die Alten Bäume pflanzen, unter deren Schatten sie niemals ruhen werden.“ Ich wünsche der ADKA, dass sie auch in Zukunft erfolgreich sein wird und dass es ihr gelingt, die deutsche Krankenhauspharmazie an die Spitzenposition in Europa zu bringen.

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