Dr. Torsten Hoppe-Tichy, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) e.V.

Einmal im Jahr darf sich vielleicht auch einmal der Präsident zurücklehnen und ein wenig meckern. Über die eigenen Kollegen, die pharmazeutische Industrie, unser Arbeitsumfeld und die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Natürlich ist auch mir bewusst, dass reines Gemeckere gar nichts bringt, aber ich gebe zu, manchmal ist wohl jedem, also auch mir, danach. Man sehe es mir also nach.

Im letzten Jahr haben wir wieder einmal gesehen, dass die Steuerung eines Unternehmens allein aus Profitsicht unter Umständen nicht das ist, was dem Patienten als letztem und abhängigem Glied in der Kette wirklich nutzt. Über die Konkurse großer Versorgungsapotheken und deren Auswirkungen ist an dieser und an anderer Stelle schon diskutiert worden. Vom SaniCare-Insolvenzverwalter war zu hören, dass „der Geschäftsbereich zudem nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben sei“. Und: „Es ist ein Feld, das auf keinen Fall mehr für schwarze Zahlen taugt.“ Allein aus diesen Aussagen kann man in meinen Augen ableiten, dass die Qualität in diesem Geschäftsmodell dann wohl der erste „Ballast“ ist, der über Bord geworfen wird. Auch die Vorfälle bei Herstellbetrieben in den USA – erst die GMP-Probleme bei Ben Venue Laboratories, dann die kontaminierten Glucocorticoid-Zubereitungen beim New England Compounding Center, die zu vielen Todesfällen geführt haben – machen nachdenklich. Offensichtlich wurde hier Profit vor Sicherheit gestellt. Dass es auch in Deutschland zu solchen Vorfällen kommt, hoffen wir natürlich nicht, vorstellbar wäre es aber und deshalb muss gelten: Profit vor Sicherheit darf kein Prinzip sein.

Einige Politiker und Lobbyisten beklagen seit Jahren, dass die Ausgaben im Gesundheitswesen zu hoch sind, sogar noch weiter steigen und das System des Solidarprinzips gefährden. Dies führt zu enormem Kostendruck in den Kliniken, zu mehr und mehr Arbeitsverdichtung und extremen Anstrengungen, Einsparungen zu erreichen. Gleichzeitig lesen wir aber von hohen Renditezahlungen an Aktionäre und großen Gewinnen von privaten Strukturen im Gesundheitswesen. Arzneimittelzulassungen werden zurückgegeben, um mit anderer Indikation wieder in den Markt zu gehen, natürlich mit höherem Preis und höheren Gewinnaussichten. Da klafft die Schere immer stärker auseinander, und das kann nicht gut gehen.

Die Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit und somit die Patientensicherheit könnte in meinen Augen schneller vonstattengehen. Auch hier gibt es noch grundlegende Probleme, die durchaus auch der Finanzierung der Kliniken durch das DRG-System geschuldet sind. So ist es im Moment noch nicht recht vorstellbar, dass ein Patient, der wegen eines Beinbruchs aufgenommen wird, eine massive klinisch-pharmazeutische und internistische Intervention bezüglich seiner vorbestehenden falschen Arzneimitteltherapie erfährt, wenn dadurch sein Krankenhausaufenthalt (Beinbruch!) verlängert oder verteuert wird. Hier muss das DRG-System dringend nachgebessert werden und eine solche Intervention im Interesse des Patienten möglich machen.

Aber auch wir selbst verdienen ein wenig Kritik. In meinen Augen macht sich in den letzten Jahren eine Art „Vollkaskomentalität“ – so hat es einmal ein Kollege formuliert – breit. Man versucht sich gegen alles und jeden abzusichern, in dem man keine eigenen Entscheidungen mehr trifft und das Risiko hierfür nicht auf seine Schultern lädt, sondern erst einmal Dritte, die vielleicht in einer Art Aufsichtsfunktion stehen, bei eben allem und jedem um ihren Rat fragt. In den meisten Fällen legen die Befragten dann Recht aus, etwas, was wir doch wohl selbst auch können. Selbst entscheiden bedeutet, nachvollziehbar zu sein, Transparenz zu bieten, eine Nutzen-Risiko-Abwägung durchgeführt zu haben und das Risiko der Entscheidung zu übernehmen. Denn auch dann, wenn mir als Entscheider andere auf Nachfrage Vorgaben machen, bleibt die Entscheidung selbst mein eigenes Risiko. Vielleicht liegen die Schwierigkeiten bei der Nachbesetzung von Chefapothekerstellen manchmal auch an mangelnder Entscheidungsfreude. Als Verband sollten wir diese Problematik mit einer Aus- und Fortbildungsinitiative angehen.

Liebe Kollegen, genug gejammert. Gejammer alleine ist wenig zielführend. Aber es gibt zumindest einmal Hinweise auf Themen, die angegangen und dabei dann mit konkreten Lösungsvorschlägen versehen werden müssen. In diesem Sinne, lassen sie uns weiter vorangehen und diese Lösungsvorschläge gemeinsam erarbeiten. Nicht alles können wir direkt beeinflussen, aber wir verlieren das Ziel nicht aus den Augen und werden auf dem Weg dahin Unterstützung finden.

Liebe Leserin, lieber Leser, dieser Artikel ist nur für Abonnenten der KPH zugänglich.

Sie haben noch keine Zugangsdaten, sind aber KPH-Abonnent?

Registrieren Sie sich jetzt:
Nach erfolgreicher Registrierung können Sie sich mit Ihrer E-Mail Adresse und Ihrem gewählten Passwort anmelden.

Jetzt registrieren