G-BA-Beschluss vom 19. September 2019

Galcanezumab


Dr. rer. nat. Maja M. Christ, Stuttgart

Mit einem Kommentar der Autorin

Wie lautet die Zulassung?

Galcanezumab (Emgality®) ist zur Migräne-Prophylaxe bei erwachsenen Patienten mit mindestens vier Migränetagen pro Monat indiziert.

Wie lautet der Beschluss des G-BA?

Der monoklonale Antikörper richtet sich gegen das Calcitonin gene-related peptide (CGRP). Der G-BA betrachtete drei Fragestellungen:

  • Gruppe A. Unbehandelte erwachsene Patienten oder Patienten, die auf mindestens eine prophylaktische Medikation nur unzureichend angesprochen, diese nicht vertragen haben oder für diese nicht geeignet sind (= Patienten, für die Metoprolol, Propranolol, Flunarizin, Topiramat oder Amitriptylin infrage kommen): Zusatznutzen nicht belegt
  • Gruppe B. Erwachsene Patienten, die auf Metoprolol, Propranolol, Flunarizin, Topiramat oder Amitriptylin nicht ansprechen, für diese nicht geeignet sind oder diese nicht vertragen (= Patienten, für die Valproinsäure oder Clostridium-botulinum-Toxin Typ A2 infrage kommen): Zusatznutzen nicht belegt
  • Gruppe C. Erwachsene Patienten, die auf keine der oben genannten Arzneimittel/Wirkstoffklassen ansprechen, für diese nicht geeignet sind oder diese nicht vertragen (= Patienten, für die nur Best Supportive Care [BSC] infrage kommt): Anhaltspunkt für einen beträchtlichen Zusatznutzen

Was war die zweckmäßige Vergleichstherapie?

Bei häufigen Migräneattacken bzw. solchen mit ausgeprägten Beschwerden oder anhaltender Aura wird neben einer Verhaltensmodifikation eine medikamentöse Migräneprophylaxe empfohlen – je nach Attackenhäufigkeit, Begleiterkrankungen und individuellen Bedürfnissen [1].

Der G-BA legte für die einzelnen Fragestellungen unterschiedliche zweckmäßige Vergleichstherapien fest:

  • Gruppe A. Unter Berücksichtigung der Zulassung und Vortherapie Metoprolol, Propranolol, Flunarizin, Topiramat oder Amitriptylin
  • Gruppe B. Valproinsäure oder – nur bei chronischer Migräne – Clostridium-botulinum-Toxin Typ A2
  • Gruppe C. BSC

Wie ist die Studienlage?

Die Wirksamkeit und Sicherheit von Galcanezumab wurde in drei randomisierten, Placebo-kontrollierten, doppelblinden Phase-III-Studien mit insgesamt 2886 erwachsenen Migräne-Patienten untersucht (episodische Migräne: EVOLVE-1/-2, chronische Migräne: REGAIN). Die Patienten erhielten – jeweils plus BSC – entweder

  • Galcanezumab 120 mg/Monat (Initialdosis 240 mg im ersten Monat),
  • Galcanezumab 240 mg/Monat oder
  • Placebo.

Arzneimittel zur Behandlung akuter Migräneattacken durften weiter verwendet werden.

Primärer Endpunkt der Studien war die Veränderung der Anzahl der Migränetage pro Monat in Bezug zur Baselinephase über den Studienzeitraum von 6 bzw. 3 Monaten. Sekundäre relevante Endpunkte bezogen Morbidität, Lebensqualität und unerwünschte Ereignisse ein.

Ergebnisse

  • Episodische Migräne: Die Reduktion der Migränetage pro Monat betrug in EVOLVE-1 unter 120 mg und 240 mg Galcanezumab bzw. Placebo 4,7 und 4,6 bzw. 2,8 Tage. In EVOLVE-2 gingen die Migränetage pro Monat um 4,3 und 4,2 bzw. 2,3 Tage zurück [2].
  • Chronische Migräne: Die Studienteilnehmer litten im Mittel unter 4,8 und 4,6 bzw. 2,7 Migränetagen pro Monat weniger [2].

In Bezug auf die Schwere der Migräne ergab sich kein Unterschied zwischen Galcanezumab und Placebo. Der Antikörper zeigte im Vergleich zu Placebo keine Nachteile.

Warum hat der G-BA so entschieden?

Gruppe A und B. In den Zulassungsstudien wurde Galcanezumab mit Placebo verglichen. Für Gruppe A und B konnte der Hersteller somit keine relevanten Daten vorgelegen.

Gruppe C. Für die Bewertung von Patienten aus Gruppe C konnten Daten von Teilpopulationen aus den Studien herangezogen werden (n = 218), die der G-BA als hinreichende Annährung akzeptierte. In Bezug auf die Reduktion der Migränetage pro Monat war Galcanezumab Placebo statistisch signifikant überlegen und zeigte im Ausmaß beträchtliche Vorteile. Allerdings bemängelte der G-BA, dass die Studienergebnisse sich nicht auf den deutschen Versorgungskontext übertragen lassen, da Patienten in der Regel nicht bereits nach zwei Vortherapien als therapieresistent oder nicht mehr behandelbar gelten. Daher stufte er die Aussagesicherheit auf einen Anhaltspunkt ein.

Eine weitere Auswertung neuer, vom Hersteller vorgelegter Daten änderte nichts an den Kernaussagen der ersten Auswertung [3].

Kommentar

Galcanezumab ist einer von vier monoklonalen Antikörpern gegen CGRP oder seinen Rezeptor (R). Da Head-to-Head-Studien fehlen, können bislang keine Aussagen dazu gemacht werden, ob der Antikörper gegenüber gängigen Migräne-Prophylaktika oder gegenüber den anderen neu zugelassenen Antikörpern dieser Wirkstoffgruppe Vorteile in der Wirksamkeit hat. Prospensity-Score-Matching-Vergleiche der Zulassungsstudien legen nahe, dass die gegen CGRP/CGRP-R gerichteten Antikörper ähnliche Wirksamkeiten aufweisen. Wie die Herstellerfirmen damit umgehen werden, ist noch unklar.

Der guten Wirksamkeit, die sich bei Therapieversagern und auch bei Übergebrauchskopfschmerz zeigte, stehen hohe Behandlungskosten gegenüber. Weiterhin sind die Langzeitrisiken der gegen CGRP/CGRP-R gerichteten Antikörper derzeit noch abschließend bekannt.

Quelle

Gemeinsamer Bundesausschuss. Beschluss „Arzneimittel-Richtlinie/Anlage XII: Galcanezumab“. www.g-ba.de/beschluesse/3957/ (Zugriff am 01.10.19).

Literatur

1. Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). S1-Leitlinie Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne (Stand: 31.01.2018). www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/030-057.html (Zugriff am 01.10.19).

2. Fachinfo Galcanezumab. Lilly. November 2018.

3. Institut für Wirtschaftlichkeit im Gesundheitsesen (IQWiG). Galcanezumab (Migräne) – Addendum zum Auftrag A19–28. www.iqwig.de/de/projekte-ergebnisse/projekte/arzneimittelbewertung/2019/a19-63-galcanezumab-migraene-addendum-zum-auftrag-a19-28.12467.html (Zugriff am 02.10.19).

Krankenhauspharmazie 2019; 40(11):534-535