ÜbersichtHubert E. Blum, Freiburg

Individualisierte Medizin

Die molekularbiologische Forschung und rekombinante DNS-Technologie haben in den letzten Jahren nicht nur die Diagnostik, Therapie und Prävention von Erkrankungen revolutioniert, sondern auch zunehmend Einblick in deren molekulare Pathogenese ermöglicht. So ist es mit modernen molekularbiologischen und biochemischen Methoden möglich, mehrere Zehntausend Gene oder Proteine (DNS-, RNS- oder Proteinarrays) von beispielsweise Tumorgeweben gleichzeitig zu analysieren und damit ein für die Krankheit und den Patienten spezifisches Gen- und Expressionsprofil zu erstellen. Auf der Basis dieser Daten wird es zunehmend möglich, individuell für die Prognose der Erkrankung und deren Therapie relevante Aussagen zu machen. Im Folgenden wird die klinische Relevanz molekularer Marker für die Prognose und Therapie am Beispiel einiger häufiger Tumorerkrankungen dargestellt. Es ist zu erwarten, dass in Zukunft auf der Basis molekularer Marker ein individuelles Tumorprofil erstellt und damit die Prognose der Erkrankung besser abgeschätzt und prädiktiv das im Einzelfall optimale therapeutische Vorgehen gewählt werden kann („personalized medicine“). Über Tumorerkrankungen hinaus konnten kürzlich durch genetische Assoziationsstudien Genloci identifiziert werden, die das individuelle Risiko für die Entwicklung einer koronaren Herzerkrankung voraussagen lassen.
Schlüsselwörter: Genomics, Proteomics, Metabolomics, Array- bzw. Chipanalysen, Erkrankungsrisiko, Krankheitsprognose, Prädiktion der Therapiewirksamkeit
Krankenhauspharmazie 2008;29:45–9.

FlaggeEnglish abstract

Personalized medicine

In recent years, recombinant DNA technology and research in molecular biology as well as cell biology have not only revolutionized the diagnosis, therapy and prevention of diseases but also allowed a detailed understanding of their pathogenesis. Using modern tools of biochemistry and molecular biology it is possible today to simultaneously analyze ten thousands of genes (DNA, RNA or protein arrays) for example in tumor tissues and to define a disease- and/ or patient-specific gene and expression profile. Based on such analyses it is increasingly possible to predict the prognosis of a given disease and the efficacy of therapeutic interventions in the individual patient (‚personalized medicine‘). In this review the clinical relevance of molecular markers for the prognosis and therapy of frequent tumors will be discussed. In addition to establishing individual tumor profiles relevant for the prognosis and treatment of the disease, genetic association studies increasingly allow the identification of gene loci that predict the individual risk for developing a coronary heart disease, for example.

Keywords: Genomics, pharmacogenomics, proteomics, metabolomics, array analyses, chip analyses, disease risk prediction, disease prognosis, prediction of efficacy of therapy, translational medicine

ÜbersichtGesine Picksak, Ralf Lichtinghagen, Heike Alz, Dirk O. Stichtenoth, Hannover

Optimierung der Patientenbehandlung durch Individualisierung der Therapie mit Psychopharmaka

Die Pharmakogenetik hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Insbesondere die Genpolymorphismen der für den Arzneimittelmetabolismus verantwortlichen Cytochrom-P450(CYP)-Enzyme sind gut charakterisiert. Genpolymorphismen von CYP2D6, 2C9 und 2C19 spielen eine wesentliche Rolle für das therapeutische Ansprechen und die Inzidenz unerwünschter Wirkungen von Antidepressiva und Neuroleptika. Durch Bestimmung des Genotyps von CYP2D6, 2C9 und 2C19 ist es prinzipiell möglich, die Dosierung von Psychopharmaka der individuellen metabolischen Kapazität anzupassen. Das diesbezügliche, auf aktueller Literatur und eigenen Ergebnissen basierende Konzept wird in der vorliegenden Arbeit vorgestellt.
Schlüsselwörter: Pharmakogenetik, Cytochrom P450, Antidepressiva, Neuroleptika, Dosisanpassung
Krankenhauspharmazie 2008;29:50–4.

FlaggeEnglish abstract

Optimisation of caregiving by an individual therapy with psychotropic drugs

Pharmacogenetics has done a great leap forward in the last years. In particular gene-polymorphisms of cytochrome-P450 enzymes, which are critical for drug metabolism, are well characterized. Genpolymorphisms of CYP2D6, 2C9 and 2C19 are very important for successful response to treatment and the incidence of adverse reactions of antidepressants and antipsychotics. Identification of the genotype of CYP2D6, 2C9 and 2C19 facilitates in principle an individually adjusted dosage of psychiatric drugs. The concept of treatment is discussed in this paper based on recent publications and inhouse research.

Keywords: Pharmacogenetics, cytochrome P450, antidepressant, antipsychotics, dose recommendation

ÜbersichtIrene Krämer, Mainz

Temsirolimus – der erste zur antineoplastischen Therapie zugelassene mTOR-Antagonist

Temsirolimus, ein vollsynthetisch hergestelltes Rapamycin(Sirolimus)-Analogon in Form des C42-Esters, ist ein selektiver Antagonist von mTOR (mammalian target of rapamycin). Es ist als Fertigarzneimittel Torisel® zugelassen zur First-Line-Behandlung des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms bei Patienten, die mindestens drei von sechs prognostischen Risikofaktoren aufweisen, mit einer wöchentlichen Dosis von 25 mg absolut in Form einer Infusion über 30 bis 60 Minuten. Der neuartige Wirkungsmechanismus mit Hemmung von Zellwachstum, Zellvermehrung und Angiogenese durch Blockade des intrazellulären mTOR-Signaltransduktionswegs, die CYP3A4-abhängige Metabolisierung zu Sirolimus, die Elimination über die Fäzes, Interaktionen mit CYP3A4-Induktoren und -Inhibitoren sowie die unerwünschten Wirkungen werden nachfolgend beschrieben. Bei der Zubereitung und Applikation der Torisel®-Infusionslösung sind unter anderem aufgrund der geringen Wasserlöslichkeit von Temsirolimus Vorsichtsmaßnahmen wie sorgfältige Herstellung des Infusionskonzentrats mit der korrekten Menge Verdünnungsmittel und der Infusionslösung mit 0,9% NaCl-Trägerlösung in PVC-freien Infusionsbehältnissen und Infusionszubehör zu beachten.
Schlüsselwörter: Temsirolimus, mTOR-Wirkungsmechanimus, Pharmakokinetik, Interaktion, Zubereitung, Applikation
Krankenhauspharmazie 2008;29:55–60.

FlaggeEnglish abstract

Temsirolimus – the first mTOR antagonist approved for anticancer treatment

Temsirolimus, a rapamycin (sirolimus) ester analog, acts as a specific inhibitor of mTOR (mammalian Target Of Rapamycin). It is approved (Torisel®) to be weekly administered as a single agent 25 mg IV over 30 to 60 minutes in the treatment of poor-risk patients with advanced renal cell carcinoma. Temsirolimus blocks cellular responses to growth factors and nutrients by inhibiting mTOR signalling, which regulates cell cycle progression and angiogenesis. The mechanism of action, CYP3A4 depending metabolism, drug interactions with CYP3A4 inducers and inhibitors, and drug adverse effects are described. Preparation and administration of the Torisel® infusion solution is to be carefully done. After combining with the diluent, it is recommended that the polysorbate 80 containing Torisel® is further diluted with 0.9 % sodium chloride injection in non-DEHP containing materials and administered through non-DEHP tubing to avoid extraction of DEHP.

Keywords: Temsirolimus, mTOR-mechanism of action, pharmacokinetics, drug interactions, preparation, administration

ÜbersichtVeit Eck, Duisburg

Erythromycin – ein Motilin-Agonist

Frühzeitige enterale Ernährung von Intensivpatienten und Erythromycin-Applikation

Der Off-Label-Use von Erythromycin als Prokinetikum bei der frühen enteralen Ernährung von Patienten mit postoperativem Trauma, Sepsis oder Multiorganversagen ist nach dem Entzug der Zulassung für Cisaprid eine immer häufiger gebrauchte Alternative. Eine Zulassungserweiterung für diese Indikation ist in naher Zukunft jedoch nicht zu erwarten.
Eine Erythromycin-Suspension kann in einer Dosierung von zweimal täglich 100 mg für fünf Tage über eine Sonde appliziert werden.
Schlüsselwörter: Erythromycin, Prokinetikum, frühzeitige enterale Ernährung, Applikation durch die Sonde
Krankenhauspharmazie 2008;29:62–4.

FlaggeEnglish abstract

Early enteral nutrition and application

Erythromycin, a macrolid antibiotic, is in the focus for its prokinetic properties. Together with an early enteral nutrition the prokinetic use of erythromycin prevents gastrointestinal motility disorder. Application of erythromycin liquids through a gastrointestinal port is possible.

Keywords: Erythromycin, prokinetic use, early enteral nutrition, application through gastrointestinal port

ÜbersichtSusanne Schneider und Siegfried Klumpp, Stuttgart

Krankenhauseinheitliches Qualitätsmanagementsystem bei der Herstellung von Arzneimitteln

In arzneimittelherstellenden Betrieben, zu denen in besonderen Fällen auch Krankenhäuser gehören können, ist nach geltendem Recht die Einrichtung eines Qualitätsmanagementsystems (QM-Systems) verbindlich. Das Robert-Bosch-Krankenhaus (RBK) Stuttgart, ein Krankenhaus mit Einrichtungen der Maximalversorgung, ist Inhaber von Herstellungserlaubnissen nach § 13 Arzneimittelgesetz für besondere, überwiegend im Krankenhaus angewendete Arzneimittel wie Stammzell-, Spenderlymphozyten- und Thrombozytenpräparate, aber auch, im speziellen Fall, für Zytostatikalösungen zur parenteralen Applikation. Die an der Herstellung beteiligten drei Abteilungen Hämatologie und Onkologie, Klinische Chemie und Transfusionsmedizin und Krankenhausapotheke entwickelten ein gemeinsames, interdisziplinär organisiertes Qualitätsmanagementsystem, das die allgemeingültigen Prinzipien der GMP-orientierten Herstellung fächerübergreifend zusammenführt. Überwachung und Ausgestaltung des QM-Systems obliegen im Wesentlichen der Krankenhausapotheke.
Schlüsselwörter: Qualitätsmanagementsystem, Arzneimittelherstellung, Zytostatikalösungen, Stammzell- und Spenderlymphozytenpräparate, Thrombozytenpräparate
Krankenhauspharmazie 2008;29:65–8.

FlaggeEnglish abstract

Standardized quality management in the manufacturing of different drugs in a tertiary care hospital

The implementation of a quality management system is compulsory for drug manufacturers (pharmaceutical industry or institutions like hospitals). The Robert-Bosch-Krankenhaus (RBK) Stuttgart, a hospital with facilities of maximal care, has a licence to manufacture special drugs used particular in in hospitals (haematopoetic progenitor cells, donor lymphocytes, thrombocytes/platelets and cytotoxics).

Three departments within the hospital (haematology and oncology, clinical chemistry and transfusion medicine and hospital pharmacy) are involved in the manufacturing process of these products. The departments developed an interdisciplinary, jointly organised quality management system according to GMP guidelines.

The responsibility for supervision, organization and development of the quality management system is basically administered by the hospital pharmacy.

Keywords: Quality management system, drug manufacturing, cytotoxics, haematopoetic progenitor cells, donor lymphocytes, thrombocytes/platelets

Fragen aus der Praxis

Dosierung von Zytostatika

Ist die Dosierung nach Körperoberfläche heute noch sinnvoll?

Ob eine Dosierung nach Körperoberfläche (KOF) für alle Zytostatika sinnvoll ist, wird seit Jahren bezweifelt, ist jedoch – außer bei Carboplatin – nach wie vor der Standard. Für manche Stoffe mag dies eine gute Dosierungspraxis sein, für andere nicht. Beispielsweise konnte für Cisplatin gezeigt werden, dass eine Dosierung entsprechend drei definierter Körperoberflächen-Gruppen mit je einer Fixdosis für die Patienten einer Gruppe ebenso vernünftig sein kann. Würde die patientenindividuelle Herstellung von Cisplatin wegfallen, könnte dies in manchen Klinikapotheken wertvolle Potenziale für andere Aufgaben frei setzen.

Referiert & kommentiertDr. Barbara Kreutzkamp, Hamburg

Handschriftlich ausgestellte Rezepte im Krankenhaus

Fast ein Drittel enthalten Fehler

Eine retrospektive Analyse von 1411 handschriftlichen Verordnungen im stationären Bereich ergab 28% Rezepte mit einem oder mehreren Fehlern. Davon schädigte aber letztlich nur einer den betroffenen Patienten so stark, dass interveniert werden musste. Durch die Einführung elektronisch unterstützter Entscheidungshilfen für die Medikamentenverordnung könnten vor allem schwerwiegende Fehler besser vermieden werden.

Referiert & kommentiertDr. Barbara Ecker-Schlipf, Holzgerlingen

Arbeitszeit von Assistenzärzten

Einfluss auf die Mortalitätsrate?

Regelungen über kürzere Arbeitszeiten von Assistenzärzten in den USA waren in Lehrkrankenhäusern mit einer niedrigeren Sterblichkeit bei medizinischen Hochrisikopatienten verbunden. Bei chirurgischen Patienten wurden keine signifikanten Veränderungen beobachtet.

Referiert & kommentiertDr. med. Nana Mosler, Leipzig

Thromboseprophylaxe bei internistischen Patienten

Kein Zweifel: Notwendig ist sie und länger ist besser

Weltweit erhält nur etwa jeder zweite stationäre Patient eine Behandlung, die das Risiko einer Thrombose oder Lungenembolie während seines Krankenhausaufenthalts effektiv senken kann. Auch in Deutschland besteht erheblicher Verbesserungsbedarf, denn aktuelle Studienergebnisse belegen nicht nur die Notwendigkeit einer Thromboseprophylaxe bei internistischen Patienten, sondern auch deren Effektivität, wenn sie verlängert wird.

Referiert & kommentiertDr. med. Anneke Vonend, Bochum

Kolonkarzinom

Prävention mit Acetylsalicylsäure?

Eine regelmäßige und langjährige Einnahme von Acetylsalicylsäure senkt über die Hemmung von Cyclooxygenase 2 (COX-2) das Kolonkarzinom-Risiko. So das Ergebnis mehrerer großer Studien.

Referiert & kommentiertArndt Krödel, Leipzig

Nichtkleinzelliges Bronchialkarzinom

Bevacizumab in der First-Line-Therapie

Die Überlebensrate lässt sich für Patienten mit nichtkleinzelligem Bronchialkarzinom steigern: Wird zusätzlich zur Chemotherapie Bevacizumab verabreicht, leben die Patienten deutlich länger als mit dem bisherigen platinhaltigen Regime, nämlich im Median 12,3 Monate gegenüber 10,3 Monate.

Referiert & kommentiertDr. Susanne Heinzl

 Chemotherapie-induzierte Anämie

Darbepoetin alfa erhöht Hämoglobin-Werte auch bei zwei- oder dreiwöchentlicher Gabe

Eine Chemotherapie-induzierte Anämie kann mit Darbepoetin alfa sowohl mit einmal wöchentlicher Gabe von 150 µg als auch mit zweiwöchentlicher Gabe von 300 µg oder dreiwöchentlicher Gabe von 500 µg erfolgreich behandelt werden.

Referiert & kommentiertDr. Annemarie Musch

Epilepsie

Sorgfältige Therapiewahl gerade bei älteren Patienten wichtig!

Eine Übersicht zu den Möglichkeiten einer patientenindividuellen, modernen Epilepsie-Therapie, gerade auch bei älteren Patienten, wurde auf dem 3. von der Firma UCB Pharma S.A. veranstalteten Turmgespräch Epilepsie in Köln am 9. Oktober 2007 präsentiert.

Referiert & kommentiertDr. Brigitta Schreiber, München

Münchner onkologischer Stammtisch

„Nierenzellkarzinom“ und „Symptomorientierte Schmerztherapie“

Zum 15. Mal trafen sich am 23. Oktober 2007 die onkologisch tätigen Krankenhausapotheker sowie die pharmazeutisch-technischen AssistentInnen aus dem Münchner Raum zu ihrem Stammtisch. Die Veranstaltung wurde freundlicherweise von der Firma Pfizer Pharma GmbH unterstützt.

Referiert & kommentiertDr. Susanne Heinzl

Pilzinfektionen

Voriconazol bei Scedosporiose wirksam

Das Antimykotikum Voriconazol (Vfend®) kann zur Behandlung von Infektionen durch Scedosporien eingesetzt werden. Dies ergab eine retrospektive Analyse der Daten von 107 Patienten.